Berlin. .
Justizministerin Sabine Leutheusser-Schnarrenberger (FDP) fordert Rechtsschutz für unbescholtene Bürger, die vom Staat observiert werden. Und will untersuchen, ob Nachrichtendienste die sehr weitgehenden Befugnisse, die sie nach dem 11. September 2001 bekommen haben, wirklich brauchen.
Die Balance zwischen der Freiheit des Individuums und den Sicherheitsansprüchen der Gesellschaft ist ihr Leit-Thema. Über den aktuellen Stand der Debatte um die Innere Sicherheit sprach DerWesten mit Bundesjustizministerin Sabine Leutheusser-Schnarrenberger (FDP).
Bei der Inneren Sicherheit weht Ihnen ein immer kälterer Wind ins Gesicht. Der Chef des Bundeskriminalamtes hat bei seinem Plädoyer für die Vorratsdatenspeicherung und die Verlängerung der Anti-Terror-Gesetze, der Sie sich nach Kräften widersetzen, prominente Unterstützung bekommen: die Bundeskanzlerin. Ein unfreundlicher Akt?
Sabine Leutheusser-Schnarrenberger:Es ist bekannt, dass es hier zwischen Union und FDP unterschiedliche Auffassungen gibt. Wir stehen für einen Grundrechte schonenden Umgang mit diesen Eingriffsrechten. Dabei bleibt es. Darüber verhandeln wir. Mit der FDP wird es kein pauschales Durchwinken, sprich: eine pauschale Verlängerung der Gesetze, geben.
Wenn Sie das große Paket der Anti-Terror-Gesetze betrachten, das seit den Anschlägen vom 11. September 2001 geschnürt worden ist - was hat sich bewährt, was kann weg und was war immer schon überflüssig?
Leutheusser-Schnarrenberger:Wir prüfen jetzt kritisch die Maßnahmen, die im Gesetz befristet worden sind. Das sind die Befugnisse für die Nachrichtendienste. Hier gibt es keine justitielle und kaum parlamentarische Kontrolle. Ich muss die Union nicht daran erinnern, dass wir das im Geist der Koalitionsvereinbarung machen. Die Prüfung läuft noch. Da, wo Nachrichtendienste sehr weitgehende Befugnisse bekommen haben, muss man untersuchen, ob das wirklich erforderlich ist. Wenn nicht, muss es korrigiert werden.
Zwischen 2007 und 2009 wurden laut Bundesregierung 65 000 Menschen in für die Infrastruktur wichtigen Behörden und in Betrieben geheimdienstlich überprüft. Rund 600 wurden als Sicherheitsrisiko eingestuft. Werden die als harmlos eingestuften Betroffenen darüber im Nachhinein informiert?
Leutheusser-Schnarrenberger:Da gibt es leider noch sehr viel zu tun. Anders als die Polizei haben die Nachrichtendienste bis zu 15 Jahre Zeit, bis sie auch unbescholtene Bürger je nach Situation informieren. Hier muss dringend nachgebessert werden. Es muss ein Recht auf Information mit Rechtsschutz geben, wenn der Staat Bürger observiert. Dies gilt auch für das Löschen der Daten unbescholtener Bürger aus Dateien.
Nach dem erfolgreichen Zugriff auf die Düsseldorfer Terrorzelle wird der Ruf nach erweiterten Befugnissen für die Sicherheitsbehörden absehbar lauter. Hilft viel viel?
Leutheusser-Schnarrenberger:Die Instrumentalisierung ist ja fast schon ein Ritual. Düsseldorf hat gezeigt: Es waren Daten da, auf die man rechtzeitig zugreifen konnte. Das reicht. Ich sehe keinen Anlass für erweiterte Befugnisse.
Wird sich die Koalition auf dem Feld der Inneren Sicherheit einigen - oder wird das Thema zum Spaltpilz?
Leutheusser-Schnarrenberger:Wir sind in einer kritischen Phase der Beratungen, weil die Herangehensweise so unterschiedlich ist. Wer einzelne Anti-Terror-Gesetze verlängern will, muss bis zum Sommer politische Kompromisse finden, um im Herbst das umfangreiche Gesetzgebungsverfahren beginnen zu können. Die Ansprüche der FDP an ein maßvolles Vorgehen müssen sich in den Verhandlungen niederschlagen. Die FDP hat dieser Koalition nicht zugestimmt, um immer jeden Vorschlag der Union einfach pauschal durchzuwinken.