Berlin. . Der schwarz-gelben Bundesregierung droht der nächste Knall. Beim Thema innere Sicherheit gibt es große Differenzen zwischen dem von Hans-Peter Friedrich (CSU) geführten Innenministerium und Justizministerin Sabine Leutheusser-Schnarrenberger (FDP).
Erfahrene Innenpolitiker beider Regierungslager sagen es in vertraulichen Gesprächen so: „Noch fliegt das Thema wegen Libyen und der Atomdebatte unter dem öffentlichen Radar durch. Aber nicht mehr lange, dann wird es wohl richtig krachen.“ Gemeint ist der Dauerzankapfel innere Sicherheit. Das FDP-geführte Justizministerium und das neuerdings von der CSU geleitete Innenministerium liegen zu einem denkbar ungünstigen Zeitpunkt reichlich über Kreuz.
Dabei geht es nicht nur um die so genannte Vorratsdatenspeicherung. CDU/CSU wollen damit erreichen, dass zur Kriminalitätsbekämpfung elektronische und telefonische Daten aller Bundesbürger pauschal maximal sechs Monate lang aufbewahrt werden dürfen, um Strafverfolgern einen Anhaltspunkt zu geben. Den Liberalen geht das zu weit. Sie schlagen als Alternative vor, dass Kommunikationsdaten nur in begründeten Verdachtsfällen von den Telekommunikationsfirmen kurz „eingefroren“ und dann den Ermittlern nach richterlicher Prüfung zur Verfügung gestellt werden können.
Sorge um Markenkern
Der Zwist währt seit über einem Jahr, ohne dass eine Lösung in Sicht wäre. Und er hat sich seit dem Personalwechsel im Innenministerium – Hans-Peter Friedrich (CSU) kam für Thomas de Maizière (CDU) – weiter verschärft. Aus Sorge um den Markenkern der Union, die innere Sicherheit, erhöhen Vertreter von CDU und CSU die Schlagzahl bei den rhetorischen Rempeleien gegen Justizministerin Sabine Leutheusser-Schnarrenberger. Vorläufiger Höhepunkt: Niedersachsens Innenminister Uwe Schünemann (CDU) bezeichnete die Liberale kürzlich als „Sicherheitsrisiko“.
Leutheusser-Schnarrenberger unterließ das Zurückkeilen. Die 59-jährige Bayerin gilt nach den jüngsten Turbulenzen an der FDP-Spitze um den Noch-Vorsitzenden Westerwelle intern als politisch deutlich gestärkt. „Sie will durch aktives und hartnäckiges Eintreten für die Freiheits- und Bürgerrechte klar erkennbar machen, dass die FDP wirklich mehr kann als über Steuersenkungen zu phantasieren“, sagt einer ihrer Mitstreiter aus der FDP-Bundestagsfraktion.
Profilierung auf Kosten des anderen
Dass Union und FDP schon beim Detailthema Vorratsdatenspeicherung heftig um Profilierung auf Kosten des jeweils anderen ringen, hat in der Regierung mit Blick auf die noch anstehenden Landtagswahlen in diesem Jahr für Unruhe gesorgt.
Denn das eigentliche Problem kommt erst noch. Das Kabinett muss bis Dezember entscheiden, ob sie die größtenteils befristeten Anti-Terror-Gesetze verlängert, die nach den Anschlägen vom 11. September 2001 in New York und Washington erlassen wurden. Andernfalls laufen die Regelungen Anfang 2012 sang- und klanglos aus.
Während CSU-Innenminister Friedrich bereits unter Zustimmung von Bundeskriminalamt und Polizeigewerkschaft signalisiert hat, das Gros der Gesetze verlängern zu wollen, verlangt die Justizministerin zunächst eine gründliche Bestandsaufnahme. Jede Maßnahme zur Terrorabwehr müsse auf Substanz und Sinnhaftigkeit abgeklopft werden, sagt sie und deutet bereits an, dass sie manches für verzichtbar hält.
„Gesetze überzogen“
Den Vorwurf, sie schwäche trotz der laut Verfassungsschutz unverändert hohen Terrorgefahr dadurch den Staat, weisen Experten aus dem Justizministerium mit einem Verweis auf Großbritannien zurück. Die Regierung in London hat bereits zu Jahresbeginn beschlossen, bei den Anti-Terror-Maßnahmen abzurüsten. Begründung von Innenministerin Theresa May: Zu viele Gesetze seien „überzogen und unnötig“ gewesen, zu lange habe das Gleichgewicht zwischen Sicherheit und Freiheitsrechten nicht im rechten Verhältnis zueinandergestanden. May spricht Leutheusser-Schnarrenberger aus dem Herzen.