Heidelberg.. Die Staatsanwaltschaft Heidelberg wird kein Ermittlungsverfahren gegen Silvana Koch-Mehrin einleiten. Eine mögliche Urheberrechtsverletzung in der Dissertation sei verjährt, weil die Doktorarbeit bereits älter als fünf Jahre sei, hieß es.

Die Staatsanwaltschaft Heidelberg will gegen die FDP-Politikerin Silvana Koch-Mehrin kein Ermittlungsverfahren wegen der Plagiatsvorwürfe einleiten. Wie die Behörde am Donnerstag mitteilte, liege die Einreichung und Veröffentlichung der Dissertation der Vizepräsidentin des Europäischen Parlaments mehr als fünf Jahre zurück. Damit wäre eine mögliche Verletzung des Urheberrechtes verjährt und es könne dahingestellt bleiben, ob die im Internet erhobenen Plagiatsvorwürfe zuträfen und ob diese gegebenenfalls strafrechtlich relevant wären.

Der Europaabgeordneten wird vorgeworfen, Teile ihrer Doktorarbeit ohne Quellenangabe abgeschrieben zu haben. Neuen Vorwürfen der Internetseite „VroniPlag“ zufolge soll Koch-Mehrin „in erheblichem Ausmaß“ abgeschrieben haben. Bis zum FDP-Bundesparteitag Mitte Mai in Rostock wird jedoch keine Klarheit erwartet, weil das offizielle Prüfverfahren der Universität Heidelberg voraussichtlich noch länger dauert.

Schweigen zu den Vorwürfen

Koch-Mehrin selbst wollte bislang nicht Stellung nehmen. Dies stieß auf Unmut bei der Berliner Opposition. SPD-Generalsekretärin Andrea Nahles mahnte: „Es ist nun an der Zeit, dass sich Frau Koch-Mehrin endlich zu den Vorwürfen äußert.“

Bei „VroniPlag“ untersuchen selbst ernannte Plagiatsjäger die Dissertation der 40-Jährigen zum Thema „Historische Währungsunion zwischen Wirtschaft und Politik“. Einem Zwischenbericht zufolge wurden bis Dienstag „auf 56 von 201 Textseiten Plagiatstellen nachgewiesen“. Dies entspricht einem Seitenanteil von 27,9 Prozent.

Abgeschrieben aus 15 verschiedenen Quellen

Dokumentiert sind den Angaben der Internetseite zufolge „Textübernahmen aus insgesamt 15 verschiedenen Quellen“. Es lasse sich die Schlussfolgerung ziehen, dass eine „eklatante Verletzung wissenschaftlicher Standards“ vorliege. In dem Bericht heißt es weiter: „Die zahlreichen textuellen Anpassungen der Plagiate sowie die Tatsache, dass Plagiate über die gesamte Dissertation hinweg zu finden sind, lassen darauf schließen, dass die Textübernahmen kein Versehen waren, sondern bewusst getätigt wurden.“ Die Uni Heidelberg will ihre Prüfung der Vorwürfe bis Ende Mai abschließen.

Ein „VroniPlag“-Sprecher sagte, im Vergleich zum Fall des früheren Verteidigungsministers Karl-Theodor zu Guttenberg (CSU) liege bei Koch-Mehrin sowohl wegen des geringeren Anteils der Plagiate als auch wegen der Art der Umsetzung eine andere Qualität vor: „Wenn wir das mit der Tour de France vergleichen, dann können wir sagen, dass wir Koch-Mehrin des Dopings überführt haben, während Guttenberg auf einem Motorrad davongefahren ist. Aber Doping führt auch zur Disqualifikation.“

„Verluderung der Zitierkultur“

Der Medienwissenschaftler Stefan Weber hielt Koch-Mehrin vor, sie trage zur „Verluderung der Zitierkultur“ bei. Er kritisierte: „Frau Koch-Mehrins Arbeit beruht auf einer unglaublichen Schlamperei. Die 60 Seiten, auf denen plagiiert wurde, sind eine Wucht.“

Weber quantifizierte die Zahl der aus fremden Quellen „zusammengeflickten“ Doktorarbeiten auf etwa ein Prozent. „Wir haben mindestens 250 Guttenbergs in Deutschland, mindestens“ - bei rund 25.000 eingereichten Doktorarbeiten pro Jahr. „Das sind die Hardcore-Plagiate“, sagte der Medienwissenschaftler. Hinzu komme noch ein einstelliger Prozentsatz von Teilplagiaten mit inkorrekten Zitaten. Außerdem meinte Weber: „Hinter jedem Plagiat steckt auch ein Ghostwriter-Verdacht.“ (dapd)