Weimar. . Das Thema Vorratsdatenspeicherung findet kein Ende. Jetzt fordert der Deutsche Richterbund eine zügige Neuregelung. Die Richter sehen ihre Reputation gefährdet - und den guten Ruf des Rechtsstaates.

Der Deutsche Richterbund verlangt von der Bundesregierung eine zügige Neuregelung der Vorratsdatenspeicherung. Die Erhebung von Telekommunikationsdaten sei wichtig zur Verfolgung schwerster Kriminalität und häufig der einzige Ermittlungsansatz, sagte der Verbandsvorsitzende Christoph Frank am Mittwoch in Weimar, wo der 20. Deutsche Richter- und Staatsanwalttag begann. Der Gesetzgeber stehe in der Pflicht, „zeitnah“ verfassungsgemäße Regelungen zu verabschieden.

Das Bundesverfassungsgericht hatte das Gesetz zur sechsmonatigen, anlasslosen Speicherung sämtlicher Telefon-, Handy- und E-Mail-Daten vor gut einem Jahr für verfassungswidrig erklärt. Aus Sicht der Richter mangelte es an der Datensicherheit und an genauen Angaben, wofür sie gebraucht werden. Seit Monaten streiten die Koalitionspartner CDU/CSU und FDP über eine Neuregelung. Die zugrunde liegende EU-Richtlinie wird zurzeit umfassend von der EU-Kommission evaluiert.

Justizministerin will Daten „schockfrosten“

Bundesjustizministerin Sabine Leutheusser-Schnarrenberger (FDP) wirbt inzwischen für eine mildere Variante, nämlich das sogenannte „Quick-freeze-Verfahren“, also das „Schockfrosten“ von Daten. Dabei sollen Strafverfolger bei einem Anfangsverdacht die routinemäßige Datenlöschung stoppen können, bis sie einen richterlichen Beschluss erlangt haben.

Die Ministerin argumentiert, die frühere unterschiedslose und umfassende Speicherung der Telekommunikations-Verkehrsdaten von über 80 Millionen Bürgern habe erheblich in „grundrechtlich besonders geschützte und höchst sensible Lebensbereiche“ eingegriffen.

Widerspruch kam vom thüringischen Justizminister Holger Poppenhäger. Der SPD-Politiker nannte das „Quick-Freeze“-Verfahren unzureichend für eine effektive Strafverfolgung. Er sprach sich für eine umfassende Speicherung aus. Ermittler sollen die Daten nach seiner Meinung aber nur abrufen und auswerten dürfen, wenn der Verdacht auf „schwerste Straftaten“ vorliege. Denkbar sei aus seiner Sicht aber, die alte Sechsmonatsfrist zu verkürzen.

Was ist ein „“psychisch gestörter Straftäter“?

Kritisch bewertete Richterbund-Chef Frank auch die Reform der Sicherungsverwahrung für gefährliche Straftäter. Das neue Therapie- und Unterbringungsgesetz lade die Verantwortung für die Interpretation bei Staatsanwälten und Gerichten ab, beklagte er. So sei unklar, was genau mit dem neuen Rechtsbegriff „psychisch gestörter Straftäter“ gemeint sei. „Unsicherheiten und Unklarheiten“ in der Justiz seien programmiert.

Frank warnte zudem vor einem drohenden Ansehensverlust der Justiz in der Bevölkerung. Laut einer neuen Allensbach-Studie glaube nur noch jeder Vierte, dass alle Bürger vor Gericht gleich sind. Auf Unverständnis im Volk stießen zudem Entscheidungen, dass Kündigungen wegen eines unterschlagenen Pfandbons von 1,30 Euro für rechtens befunden werden. Vor diesem Hintergrund müsse die Justiz ihre Entscheidungen unbedingt nachvollziehbar und verständlich abfassen und den Bürgern auch erklären.

Auf dem Richter- und Staatsanwalttag, der nur alle vier Jahre stattfindet, diskutieren bis zum Freitag rund 1.000 Juristen über aktuelle rechtspolitische Fragen. Zu den kontroversen Themen zählen etwa Rechtsprobleme mit der Sicherungsverwahrung, dem Datenschutz, sowie dem Verbraucherrecht und der Prozessflut im Sozialrecht rund um „Hartz IV“. Der erste Richtertag fand im September 1909 in Nürnberg statt. (dapd)