Duisburg. . In der Duisburger CDU herrscht Chaos. Lange Zeit wurden Mitglieder zwischen den Ortsverbänden verschoben, um Wahlen zu beeinflussen. Das CDU-Bundesschiedsgericht verurteilte diese Praxis, „Wahlnomaden“ zu verschicken. Aber bis zu einer Lösung des Problems dürften noch viele Monate vergehen.
In der Duisburger Union geht es drunter und drüber. Da zogen mehrfach „Wahlnomaden“ durch die Ortsverbände, um bei Abstimmungen bestimmte Kandidaten durchzudrücken. Da flogen auch schon mal die Fäuste, weil sich die Schwarzen nicht grün sind. Das CDU-Bundesparteigericht hatte schon vor Monaten gesagt: Stellt die Missstände ab. „Doch es passiert nichts“, erzählen Insider.
Duisburgs CDU plagen Sorgen. Nicht nur, dass der Stern „ihres“ OB Adolf Sauerland nach der Loveparade-Katastrophe verblasst. Ein Beschluss des Bundesparteigerichts zwingt sie jetzt auch, ihre Ortsverbände personell neu aufzustellen. In der Vergangenheit ist gegen das Wohnsitzprinzip verstoßen worden: Viele CDU-Mitglieder gehören weder dem Ortsverband ihres Wohnsitzes, noch dem ihres Arbeitsplatzes an. Das ergab eine Wahl-Anfechtung.
Mehr als jeder Dritte falsch zugeordnet
Nach Schätzungen könnten 40 % der 2000 Duisburger Christdemokraten falsch zugeordnet sein. So schätzt man die Zahl der „falschen“ Mitglieder in Neumühl im Norden der Stadt auf 20 %, in Stadtmitte sogar auf 50 %. Parteichef Thomas Mahlberg muss sich gegen den Vorwurf wehren, Wahlmanipulationen zumindest toleriert zu haben. Gegenüber DerWesten bezeichnete Thomas Mahlberg es als „völligen Quatsch“, selbst Einfluss genommen zu haben. Im Ortsverband Huckingen zeigten sich jedenfalls große Verschiebungen, die kaum ungesteuert gewesen sein konnten. Der Begriff „Wahlnomaden“ entstand.
Seit seiner Wahl zum Kreisparteichef 1999 hält Mahlberg mit anderen Ehemaligen aus der Jungen Union (JU) die Zügel in Duisburgs CDU in Händen. Bianca Seeger gehört nicht dazu, schickte sich aber 2008 an, die Ratskandidatur für Huckingen zu erstreiten. Sie scheiterte. Zwei konkurrierende Lager entstanden und mobilisierten kräftig für die Vorstandswahl im März 2009, wo Seeger erneut den Lokalmatador herausforderte. Ausgerechnet der mächtigste Ortsverband im Bezirk Süd, Buchholz, mit dem Vorsitzenden Mahlberg, schrumpfte in dieser Zeit von 246 auf 185 Mitglieder, während Huckingen von 75 auf 175 zulegte. Wo sonst zwei Dutzend Aktive zur Vorstandswahl schritten, waren es im März 2009 plötzlich 137! Mahlbergs Kreisgeschäftsstelle hatte sogar Anfahrtskizzen verschickt. Seeger verlor auch diese Wahl. Als darauf in Homberg gewählt wurde, stimmten Mitglieder mit ab, die auch in Huckingen gewählt hatten. Ergebnis: Anfechtung der Huckinger Wahl. Im Mai soll sie wiederholt werden.
Alkohol und Randale
Noch ein Ärgernis: In Homberg war ein junger Mann zum Vize-Vorsitzenden gewählt worden, der häufig mit einer Clique trinkfreudiger Kumpels in Erscheinung trat. Sie hatte nicht nur Ende 2008 vergeblich versucht, eine Versammlung der JU zu sprengen, sondern machte später auch mit Randale nach der Kommunalwahl 2009 und bei einer „Bildungsfahrt“ der JU nach Berlin 2010 Schlagzeilen.
Das Bundesschiedsgericht hat die Duisburger Union aufgefordert, das Phänomen der „Wahlnomaden“ abzustellen. „Es passiert aber nichts. Neuwahlen sind auf Herbst oder Winter vertagt, und die Versuche, Mitglieder in fremden Ortsverbänden zu installieren, gehen munter weiter“ sagt Ralf Bauerfeld, der Vater von Bianca Seeger, der gegen die seltsamen Wahlgepflogenheiten in seiner Partei klagte.
Kreisvorsitzender Mahlberg kündigt an, dass Ortsvorstände persönlich bei Mitgliedern ermitteln sollen, deren Zugehörigkeit zu einem Ortsverband umstritten ist. Es geht um mehrere hundert Mitglieder. Die Führungsriege an der Basis kocht. Einige der Vorsitzenden sind genervt, andere stinksauer über die Aufforderung, nicht nur wegen dem Zeitaufwand und dem Papierkram. Sie müssten jetzt die Suppe auslöffeln, die man ihnen „von da oben“ eingebrockt hat, heißt es. Die „Aufräumaktion“ kommt auch aus anderen Gründen ungelegen. Es geht die Angst um, dass einige Ortsverbände auf eine extrem geringe Mitgliederzahl schrumpfen könnten.
Manipulationen drohen
Parteienrechtler Martin Morlok unterstreicht die Bedeutung des Wohnortprinzips. „Es ist wichtig, dass die örtliche Mitgliedschaft zweifelsfrei bestimmt werden kann. Anderenfalls drohen Manipulationen bei Wahlen.“ Über die Duisburger Verhältnisse urteilt der Professor: „Offenbar hat sich hier eine satzungs- und gesetzwidrige Praxis eingeschlichen. Das muss geändert werden.“
Der Politikwissenschaftler Jan Treibel von der Uni Duisburg-Essen glaubt nicht an einen generellen Trend in Parteien, Wahlnomaden zu installieren. „Es scheint sich um ein lokales Phänomen in Duisburg zu handeln“, sagt er.
Treibel stellt aber fest: „Wenn man von außen auf die Vorgänge in der Duisburger Union sieht, dann kann man den Eindruck haben, dass gegen die Regeln der innerparteilichen Demokratie maßgeblich verstoßen worden ist. Die Willensbildung scheint dort erheblich beeinflusst worden zu sein, die innerparteilichen Sitten scheinen zu verrohen.“