Essen. Kinderlärm ist guter Lärm. Er wird künftig rechtlich nicht mehr mit dem Krach gleichgestellt, den Industrie, oder Gewerbebetriebe produzieren. Mit dieser grundsätzlichen Festlegung will der Gesetzgeber einen Kurswechsel vollziehen, um das Land offener für junge Familien zu machen.

Kinderlärm ist künftig per Gesetz kein Lärm mehr. Bund und Länder haben sich nach WAZ-Informationen in einer Kommission im Mai im Grundsatz auf Korrekturen des Baunutzungsrechts und des Lärmschutzes geeinigt. Danach sollen in reinen Wohngebieten Kindertagesstätten, Kindergärten und Spielplätze generell und ohne spezielle Genehmigung zulässig sein. Änderungen in komplizierten, vor Gericht angreifbaren Bebauungsplanverfahren sind dann nicht mehr nötig. Die Möglichkeit für Nachbarn, sich über Kinderlärm zu beschweren oder gar den Betrieb von Kindertageseinrichtungen zu verhindern, wird stark eingeschränkt.

Klarstellung soll Verfahren stoppen

Mit dieser Klarstellung wollen Bundestag und Regierung unmittelbar nach der Wahl im Herbst die in vielen Städten und Gemeinden schwelenden Auseinandersetzungen um den Lärm spielender und tobender Kinder stoppen, die – wie kürzlich in Berlin – sogar zur Schließung einer Kita geführt haben.

Wenn Kinder spielen und toben, soll dies als „natürliches Geräusch unter einem besonderen Toleranzgebot der Gesellschaft stehen”, heißt es auch in einem Antrag der Großen Koalition, der am letzten Arbeitstag des Bundestags einstimmig angenommen wurde und der deshalb auch den nächsten Bundestag bindet.

In Nordrhein-Westfalen reagierte Familienminister Armin Laschet (CDU) erfreut auf die Weichenstellung: „Es ist gut, dass Kitas endlich leichter in Wohngebieten entstehen können. Eine Gesellschaft, die Kitas wie Flugplätze und Autobahnen unter Lärmschutzemissionsregeln behandelt, hat schon verloren”, sagte er der WAZ.

Zukunft der Bolzplätze unsicher

Petra Weis, Duisburger SPD-Bundestagsabgeordnete und Berichterstatterin für das Projekt, betont die Notwendigkeit, vor allem die gesetzlichen Vorschriften der Technischen Anleitung Lärm (TA Lärm) zu ändern: „Kinderlärm darf nicht anderen Lärmfaktoren gleichgestellt werden, wie es heute leider oft der Fall ist.”

Zuletzt hatten schon zahlreiche Gerichte ähnlich geurteilt. Im NRW-Bauministerium glaubt man, dass die neue Linie vor allem mehr Rechtssicherheit bringen könnte.

Voraussetzung für eine „generelle Genehmigung” von Kitas und Spielplätzen ist nach den Plänen von Bund und Ländern jedoch, dass sie für Kinder eingerichtet werden, die aus dem zugehörigen Wohngebiet kommen.

Noch unklar: wie in Zukunft mit der Einrichtung von Bolzplätzen umzugehen ist, auf denen Kinder Ball spielen möchten. Sie fallen unter die Vorschriften der Sportstätten-Verordnung, die nicht geändert wird. Im niederrheinischen Issum ist vor kurzem sogar diskutiert worden, einen Bolzplatz mit Lärmschutzwand zu bauen.