Berlin. . In der Union wird Kritik an den Plänen von Umweltminister Norbert Röttgen (CDU) und Wirtschaftsminister Rainer Brüderle (FDP) laut, Milliarden Euro in die Förderung erneuerbarer Energien zu stecken. Bayerns Umweltminister Markus Söder (CSU) hält darüber hinaus die Idee eines Atomausstiegs bis 2017 für „absurd“.

Bundesumweltminister Norbert Röttgen (CDU) und Wirtschaftsminister Rainer Brüderle (FDP) geraten beim Thema Atomausstieg unter Druck. Der stellvertretende Unions-Fraktionsvorsitzende Michael Fuchs (CDU) monierte am Montag, er sehe nicht, wie die Pläne zum schnelleren Ausbau erneuerbarer Energien finanziert werden könnten. Der haushaltspolitische Sprecher der Union, Norbert Barthle (CDU), sprach sich gegen Subventionen für regenerative Energieträger aus.

Die Opposition warf der Koalition vor, sie habe mit ihrer atomfreundlichen Politik die hohen Kosten einer Energiewende für den Staat selbst verursacht. Das Bundesamt für Naturschutz kritisierte, in der Diskussion komme der Erhalt von Landschaften und Artenvielfalt zu kurz.

Nach den Plänen Röttgens und Brüderles sollen für die Energiewende mehrere Milliarden Euro zusätzlich investiert werden. Noch in diesem Frühjahr soll ein Sonderprogramm über fünf Milliarden Euro für Windparks vor der Küste starten.

Wirtschaftspolitikern ist die Energiewende zu teuer

Fuchs sagte, im Prinzip seien die Pläne vernünftig. „Doch ich frage mich, wo das Geld dafür herkommen soll“, sagte der Vorsitzende des Parlamentskreises Mittelstand. Jeder müsse sich darüber im Klaren sein, dass der Strompreis steige, wenn der Atomausstieg beschleunigt wird.

Barthle sagte: „Wenn Mehrkosten durch die Energiewende entstehen, dann müssen die Verbraucher sie tragen und nicht die Steuerzahler.“ Er sehe den Bedarf für zusätzliche Gebäudesanierungsprogramme nicht. „Die meisten Häuser in Deutschland werden durch Öl und Gas beheizt, nicht durch Strom“, sagte Barthle. Wenn es dennoch zu Mehrausgaben kommen sollte, müsse jedes Ministerium dies in seinem Etat selbst ausgleichen.

Unions-Bundestagsfraktionsvize Christian Ruck (CSU) kritisierte, Klima- und Naturschutz kämen im Wettlauf um neue Konzepte viel zu kurz. „Wir müssen aufpassen, dass unsere Klimaschutzziele nicht fallen gelassen werden“, sagte er..

Söder hält Atomausstieg bis 2017 für „absurd“

Bayerns Umweltminister Markus Söder (CSU) hat die Idee eines Atomausstiegs bis 2017 als „absurd“ zurückgewiesen. In diesem Fall könne es passieren, dass Strom aus dem tschechischen Temelin importiert werden müsse. „Deswegen sollte man versuchen, die gesamte Energiestrategie auf das Jahr 2020 auszurichten.“

Umweltminister Norbert Röttgen verteidigt seinen Kurs gegen Kritik aus den eigenen Reihen. Er wende sich gegen Übertreibungen und Verunsicherungen der Bevölkerung, sagte der CDU-Politiker am Montag vor der Präsidiumssitzung seiner Partei in Berlin. Er begrüße, dass der Bundesverband der Deutschen Energie- und Wasserwirtschaft (BDEW) selbst einen Ausstieg aus der Atomenergie bis 2020 angeboten habe, sagte Röttgen. Röttgen verlangt einen Verzicht auf die Laufzeitenverlängerung für Atomkraftwerke. Dieser Forderung schloss sich Unionsfraktionschef Volker Kauder aber nicht ausdrücklich an. „Es wird eine Verkürzung der Laufzeiten geben“, sagte Kauder zwar am Sonntagabend in der ARD. Er ließ aber offen, ob damit die gesamte, erst Ende 2010 beschlossene Verlängerung der AKW-Laufzeiten gemeint ist. Dies müsse jetzt während des Atom-Moratoriums festgelegt werden, sagte Kauder.

Opposition sieht Laufzeitverlängerung als Kostentreiber

SPD-Haushaltsexperte Carsten Schneider sagte, aktuell seien die Kosten einer schwarz-gelben Energiewende unkalkulierbar. „Die bisherige Atompolitik der Bundesregierung ist längst ein Haushaltsrisiko“, kritisierte er. „Kostenexplosionen für Industrie und den eh schon arg belasteten Verbraucher sind nicht mehr akzeptabel.“ Deshalb müsse die Befristung der Brennelementesteuer aufgehoben und der Steuersatz erhöht werden. Die Bundesregierung müsse zudem endlich einen Bundestagsbeschluss zum Atomausstieg vorlegen. Ohne einen substanziellen Beitrag der Atomindustrie sei die Brücke in das neue Energiezeitalter nicht zu finanzieren.

Grünen-Bundestagsfraktionsvize Bärbel Höhn kritisierte, dass die Koalition die Zahlungen der Stromkonzerne an die Laufzeitverlängerung gekoppelt hat. „Diese Probleme hat sich die Bundesregierung selbst eingebrockt“, sagte Höhn. „Jetzt rächt sich, dass sich diese Regierung derart in finanzielle Abhängigkeit von den Atomkonzernen begeben hat.“

Die Energiekonzerne EnBW, RWE, E.ON und Vattenfall hatten ihre Zahlungen an den Fonds zur Förderung regenerativer Energien eingestellt, weil die Bundesregierung ein Moratorium für die Laufzeitverlängerung von Atomkraftwerken verkündet hat. Fuchs äußerte Verständnis für den Schritt: „Den Energiekonzernen ist die Geschäftsgrundlage weggebrochen. Wenn sie die älteren Meiler nicht mehr betreiben dürfen, fehlt ihnen natürlich Geld für den Ökofonds.“

Linke sieht Energiekonzerne als Erpresser

Die Linkspartei reagierte empört auf den Zahlungsstopp. „Das Atom-Moratorium hat die Rechtslage nicht verändert. Verträge müssen eingehalten werden“, sagte Parteichef Klaus Ernst. „Die Bundesregierung sollte gegen die Stromriesen vor Gericht und die Zahlungen mit Zinsen einklagen.“ Außerdem müssten die Energiekonzerne von den Konsensgesprächen zur Energiewende ausgeschlossen werden. „Mit Erpressern verhandelt man nicht“, sagte Ernst.

Die Präsidentin des Bundesamts für Naturschutz, Beate Jessel, kritisierte, der Erhalt von Landschaft und Artenvielfalt gerate gegenüber dem Ausbau erneuerbarer Energien ins Hintertreffen, weil die Abkehr von der Atomkraft im Moment als „Totschlagargument“ vorgebracht werde. „Das reflexartige Reagieren der Politik ist bedenklich“, sagte sie. Für ein ausgewogenes Gesamtkonzept seien die drei Monate des Atommoratoriums wohl zu kurz. „Es stellt sich die Frage, wie solide die Antworten sind, die man in so kurzer Zeit findet“, sagte Jessel (dapd/rtr)