Tripolis/Madrid. . In Libyen wogt das Schlachtenglück hin und her. Städte wie Brega sind heiß umkämpft. Mittlerweile scheint jedoch der Zeitpunkt gekommen zu sein, an dem der Gaddafi-Clan versucht, unbeschadet dem Bürgerkrieg zu entkommen.

Libyens Dik­­tator Muammar Gaddafi sondiert offenbar diplomatische Auswege für sein um­kämpftes Land. Vize-Außenminister Ab­delati Obeidi lotete als Unterhändler in Athen und in Ankara Möglichkeiten für ein Ende des Krieges in Libyen aus. Dabei wurde auch über Bedingungen für einen Waffenstillstand und für einen Abtritt Gaddafis gesprochen.

Griechenlands Außenminister Dimitris Droutsas sagte: „Es scheint so, dass die libysche Regierung eine Lösung sucht.“ Die türkische Regierung erklärte sich zur Vermittlung bereit. Die Chancen für eine Verhandlungslösung wurden jedoch als wenig aussichtsreich eingeschätzt.

Gaddafi hatte in den letzten Wochen mehrfach eine Feuerpause, einen Rückzug seiner Truppen wie auch einen Verzicht auf die Macht abgelehnt. Ein Sprecher der Oppositionsregierung in Bengasi stellte klar: „Bevor es diplomatische Verhandlungen gibt, müssen Gaddafi und seine Söhne die Macht abgeben.“ Damit erteilte der Nationalrat der Opposition auch Berichten eine Absage, wonach Gaddafi-Sohn Saif al-Islam eine künftige Regierung anführen könnte. „Dies ist völlig ausgeschlossen.“

Italien will Aufständische anerkennen

Italiens Außenminister Franco Frattini nannte Vorschläge für eine Lösung, in der das Gaddafi-Regime noch eine Rolle spielen könnte, „nicht glaubwürdig“. Frattini stellte stattdessen die Anerkennung der Oppositionsregierung als einzig rechtmäßige Vertretung Libyens in Aussicht. Der Na­tionale Übergangsrat der Op­position sei der „einzige legitime Gesprächspartner“, der das „neue Libyen“ repräsentiere. „Das Regime in Tripolis hat keine Zukunft mehr.“ Zuvor hatte bereits Frankreich den Übergangsrat diplomatisch an­erkannt.

Auch auf dem Schlachtfeld deutet wenig auf eine Feuerpause hin. Rebellen und Gaddafis Militär kämpften weiter um den Ölhafen Brega, etwa 800 Kilometer östlich der Hauptstadt Tripolis. Gaddafis Truppen beschossen erneut die beiden Städte Sintan, 120 Kilometer südwestlich von Tripolis, und Misrata, 200 Kilometer östlich der Hauptstadt.

Immerhin gelang es, Verletzte aus der Küstenstadt Misrata zu evakuieren. Zwei Schiffe konnten mehr als 300 Verletzte aus der von Gaddafis Einheiten belagerten Stadt bringen: Die türkische Fähre „Ankara“ holte 250 Verwundete aus dem Hafen ab. Ein Schiff der Hilfsorganisation „Ärzte ohne Grenzen“ konnte weitere 71 Schwerverletzte ber­gen. Die beiden riskanten humanitären Rettungsaktionen fanden mit militärischem Geleitschutz aus der Luft und auf dem Wasser statt.

„In der Hölle
gefangen“

Unter den geretteten Verletzten befanden sich auch zahlreiche Kinder, die durch den Dauerbeschuss von Gaddafis Truppen schwer verletzt worden war. Ein 13-jähriger Junge berichtete, er sei von einem Heckenschützen niedergestreckt worden. Ein an­derer Junge, der gerade mit seiner Mutter auf dem Weg zum Wochenmarkt gewesen war, war von Dutzenden Granatsplittern getroffen worden. Zahlreiche der evakuierten Ver­wundeten hatten amputierte Gliedmaßen.

Mit dem permanenten Be­schuss wollten Gaddafis Truppen die Großstadt, in der 700 000 Menschen leben, „terrorisieren“, sagte ein Verwundeter. Die Menschen in Misrata seien „in der Hölle gefangen“.