Berlin. . Hartz-IV-Empfänger dürfen in Nordrhein-Westfalen nicht mehr Lotto spielen oder Sportwetten abschließen. Westlotto droht eine Strafe von 250.000 Euro, falls gegen die einstweilige Verfügung verstoßen wird. Unklar ist, wie das Spielverbot überprüft werden soll.

Die Lotto-Annahmestellen in Nordrhein-Westfalen dürfen an Hartz-IV-Empfänger ab sofort keine Lottoscheine und sonstigen Scheine für Glücksspiele mehr verkaufen. Nach einer einstweiligen Verfügung des Landgerichts Köln droht Westlotto bei Zuwiderhandlungen für jeden einzelnen Fall ein Ordnungsgeld von bis zu 250.000 Euro, berichteten am Donnerstag übereinstimmend die „Westdeutsche Zeitung“ und „Welt online“.

Westlotto wird demnach auferlegt, keine Spiel- oder Wettscheine oder Rubbellose an Menschen zu verkaufen, die „Spieleinsätze riskieren, die in keinem Verhältnis zu ihrem Einkommen stehen, insbesondere Hartz-IV-Empfänger“.

Schnelle Klärung des Verbots

Die einstweilige Verfügung wurde der „Westdeutschen Zeitung“ zufolge von einem privaten Glücksspielanbieter mit Sitz auf Malta beantragt, der in Deutschland Sportwetten anbietet. Westlotto-Sprecher Axel Weber sagte der Zeitung: „Wir werden diese Entscheidung selbstverständlich akzeptieren, streben aber eine schnelle Klärung in einem Hauptverfahren an.“

Er kündigte an, „unverzüglich Widerspruch einzulegen“ gegen die Ende Februar erlassene Verfügung, um eine mündliche Verhandlung zu erreichen. Die Umsetzung des Verbots hält er für nicht praktikabel. „Ich vermag es nicht, einen Menschen anhand seines Auftretens als Hartz-IV-Empfänger zu erkennen“, sagte Weber. Eßer erklärte, es seien Fälle gemeint, bei denen aus Gesprächen in der Annahmestelle hervorgehe, dass die Spieler Hartz IV bezögen.

Es sei unklar, wie das Spielverbot überprüft werden solle. „Ich kann doch niemandem ansehen, ob er Hartz-IV-Empfänger ist. Und wir können ja auch kaum zu unseren Kunden sagen, zeigen Sie uns mal bitte Ihren Hartz-IV-Bescheid, dann dürfen Sie nicht spielen“, sagte Weber.

Veranstalter müssen Spieler sperren

Der private Sportwetten-Anbieter beantragte die einstweilige Verfügung den Berichten zufolge auf Grundlage des 2008 in Kraft getretenen Glücksspielstaatsvertrags. In diesem wird den Lotto-Annahmestellen ausdrücklich aufgetragen, Spieler mit finanziellen Problemen von der Teilnahme an den Glücksspielen auszuschließen.

So heißt es in dem Vertrag, dass Veranstalter Spieler sperren müssen, bei denen sie aufgrund der Wahrnehmung ihres Personals, durch Meldung Dritter oder sonstiger Anhaltspunkte wissen oder annehmen müssen, „dass sie spielsuchtgefährdet oder überschuldet sind, ihren finanziellen Verpflichtungen nicht nachkommen oder Spieleinsätze riskieren, die in keinem Verhältnis zu ihrem Einkommen oder Vermögen stehen“.

Skepsis nach Gerichtsentscheid

Die Entscheidung des Kölner Landgerichts zum Verbot von Sportwetten für Hartz-IV-Empfänger hat Unverständnis hervorgerufen. Der rheinland-pfälzische Ministerpräsident Kurt Beck (SPD) sagte am Donnerstag bei einer Konferenz der Länderregierungschefs in Berlin, wie das Verbot umgesetzt werden soll, sei unklar. Man könne den Menschen schließlich nicht bei der Abgabe ihres Tippscheins fragen, ob sie Hartz IV bekämen. Das Erwerbslosen Forum Deutschland nannte die einstweilige Verfügung gegen den Glücksspielanbieter WestLotto absurd. Dieser kündigte an, Widerspruch einlegen zu wollen.

Sachsen-Anhalts Ministerpräsident Wolfgang Böhmer (CDU) sieht dies ebenfalls skeptisch. Er habe die Entscheidung „mit Erstaunen“ zur Kenntnis genommen.

Lage des Einzelnen kann sich ändern

Unterstützung erhielt WestLotto von Hans Peter Schössler, dem Chef von Lotto Rheinland-Pfalz. Der „Rhein-Zeitung“ sagte er, es sei eine Diskriminierung, wenn Hartz-IV-Empfänger nicht einmal einen oder zwei Euro ausgeben dürften, „in der Hoffnung etwas zu gewinnen“.

Das Erwerbslosen Forum Deutschland rief Hartz-IV-Empfänger dazu auf, sich im Internet zum Glücksspiel zu bekennen. „Wir wollen doch mal sehen, wie schnell dann so eine diskriminierende Entscheidung ad absurdum geführt wird und schnellst möglichst kassiert wird“, sagte ein Sprecher. Bis zum Nachmittag waren rund 100 User dem Aufruf gefolgt. (afp/dapd)