Berlin. .

Nach dem Sturz von Ex-Verteidigungsminister Guttenberg mehren sich die Zweifel, ob die Bundeswehrreform nicht ins Stocken gerät. Soldaten beklagen schlechte Ausrüstung und geringen Sold. Tausende Freiwillige fehlen.

Mit vereinten Kräften preschten CSU-Chef Horst See­hofer und Unions-Fraktionschef Volker Kauder (CDU) nach vorn. An der ge­planten Bundeswehrreform wird im Groben nicht gerüttelt – so lautete deren klare Ansage für Neu-Verteidigungsminister Thomas de Maizière (CDU). Dieser will sich bei der Reform Zeit lassen und gegebenenfalls „leichte Nachbesserungen“ am Konzept des gestrauchelten Karl-Theodor zu Guttenberg (CSU) vornehmen.

Doch inzwischen werden die Zweifel immer größer, ob de Maizière die Reform der Bundeswehr wie geplant exekutieren kann.

Der Bundeswehrbeauftragte Hellmut Königshaus (FDP) sprach sich nun für eine „B-Option“ aus, falls die Re­form nicht im gewünschten Tempo vorankommt. Am 1. Juli soll die Wehrpflicht ausgesetzt werden. Doch noch fehlen tausende Freiwillige, die im Sommer die von 235 000 auf bis zu 185 000 Personen verkleinerte Armee auffüllen könnten. Das Verteidigungsministerium sieht pro Jahr 12 000 Freiwillige vor und 4000 freiwillige Soldaten auf Zeit.

„Keine attraktive Armee“

2155 Anwärter haben sich bisher für den freiwilligen Dienst bereiterklärt. Nun hofft das Verteidigungsministerium auf einen Ansturm, wenn das neue Wehrgesetz in trockenen Tüchern ist. „Solange gesetzliche Grundlagen nicht Gesetzeskraft entfalten, ist es schwie­rig, Leute mit vorläufigen Eckpunkten einzuwerben“, formulierte es ein Sprecher am Montag.

Königshaus fand am Wo­chenende deutlichere Worte. „Im Moment ist die Bundeswehr keine attraktive Armee“, sagte der FDP-Politiker. Sehr viele Soldaten klagen demnach über eine unsichere Laufbahnplanung. Zudem gebe es einen Beförderungsstau. Aus Königshaus’ Sicht müsse die Bundeswehr allen Interessenten nun „schnellstmöglich“ ei­ne konkrete Perspektive bieten, „damit die Nachwuchsförderung nicht völlig zum Erliegen kommt“.

Die unklaren Perspektiven sind nicht der einzige Grund, der die Bundeswehr als Arbeitgeber unattraktiv erscheinen lässt. Immer wieder klagen Soldaten über mangelhafte Ausrüstung, zu wenig Rückendeckung durch die Politik bei Auslandseinsätzen oder negative Schlagzeilen – zuletzt durch die Ereignisse auf der „Gorch Fock“.

Bessere Bezahlung

Jüngst hat der Bundeswehrverband einen Wutbrief ins Kanzleramt geschickt und ge­gen die anhaltende Kürzung des Weihnachtsgeldes protestiert. So hatte der Bund Ende 2010 beschlossen, an der Re­duzierung auch 2011 festzuhalten. Ursprünglich war der Einschnitt nur für vier Jahre – einschließlich 2010 – vorgesehen. Nach Angaben des Verbands bekommen die Solda­ten, Beamten und Ruheständler daher weiterhin 2,44 Prozent weniger Gehalt.

Der verteidigungspolitische Sprecher der SPD, Rainer Arnold, spricht sich für ein „ganzes Maßnahmenbündel“ aus, um den Soldatenberuf wieder attraktiver zu machen. „Soldaten müssen so bezahlt werden wie Polizisten“, sagte Arnold der WAZ. Nötig seien auch flexiblere Arbeitszeitmodelle, um Familie und Beruf besser vereinbaren zu können. Grünen-Verteidigungsexperte Omid Nouripour spricht sich zudem für eine bessere Kinderbetreuung aus, für eine bessere Planbarkeit der Karrieren und Rückhalt für die Soldaten durch die Politik.

Abgesehen vom Ende der Wehrpflicht am 1. Juli sollte der Bund die Strukturreform des Heeres noch einmal grundlegend überarbeiten, findet Arnold. Dies lehnen führende Unionspolitiker wie Kauder oder Seehofer strikt ab. „Bei der Bundeswehrreform gibt es keinen Korrekturbedarf“, sagte Seehofer. Die Reform werde weder verwässert, noch ausgesetzt. Dies sieht auch Nouripour so: „Es macht keinen Sinn, die Bundeswehrreform jetzt auszusetzen.“