Tripolis. . Die Aussichten, dass die Gegner von Staatschef Gaddafi einen raschen Sieg erringen könnten, schwinden. Überall rücken regime-treue Truppen vor. Die Menschen richten sich auf einen lang andauernden Bürgerkrieg ein

Die blutigen Kämpfe zwischen der Protestbewegung in Libyen und regimetreuen Truppen drohen sich zu einem langen Bürgerkrieg auszuweiten. Die Luftwaffe flog am Sonntag Angriffe gegen Aufständische, die an der Mittelmeerküste nach Westen in Richtung der Hauptstadt Tripolis marschierten. Zugleich eröffneten Regierungstruppen in der Stadt Misrata eine weitere Front gegen die Rebellen. Zwischen den Städten Ras Lanuf und Bin Dschawad tobten erbitterte Kämpfe.

Augenzeugen berichteten der BBC zufolge, vier Städte, die angeblich von loyal zu Staatschef Muammar al Gaddafi stehenden Truppen eingenommen worden sein sollen, seien weiterhin in der Hand der Aufständischen. Die Protestbewegung kontrolliere Tobruk und Ras Lanuf, außerdem Misrata und Sawija, hieß es.

Gaddafis Einheiten beschossen laut Augenzeugen die Innenstadt von Misrata mit Mörsergranaten und Panzerartillerie. Ein Kampfflugzeug griff laut Augenzeugen einen Militärstützpunkt in Ras Lanuf an. Dabei wurden drei Hangars und ein kleines Gebäude zerstört. Die Regierungstruppen beschossen auch Positionen der Rebellen in der Stadt mit Raketen und Artillerie.

2000 Gaddafi-Anhänger demonstrieren in Tripolis

Im Zentrum von Tripolis demonstrierten am Sonntag rund 2.000 Gaddafi-Anhänger. Sie schwenkten Flaggen und gaben Schüsse in die Luft ab. Mehrere hundert weitere jubelnde Menschen fuhren an einem Militärlager vorbei, in dem Gaddafi lebt. Ob sich der Machthaber derzeit in der Hauptstadt aufhält, ist nicht bekannt.

Regierungsgegner und regimetreue Truppen hatten sich am Samstag heftige Gefechte um die Kontrolle über strategisch wichtige Städte geliefert. Ein Kämpfer aufseiten der Regierungsgegner in Sawija sagte, es habe viele Tote und Verletzte gegeben. In Ras Lanuf kamen nach Angaben eines Kämpfers zwölf Aufständische ums leben. Unterdessen zeigte der Fernsehsender CNN Aufnahmen von Regierungsgegnern, die den Abschuss eines Kampfflugzeugs der Regierung feierten. Die Maschine war laut Augenzeugen am Samstag nahe Ras Lanuf abgestürzt, die Ursache war zunächst unklar. Laut CNN erklärten Regierungsgegner, sie hätten das Flugzeug abgeschossen.

Muammar al Gaddafi

Auf den Straßen von Bengasi...
Auf den Straßen von Bengasi...
...feiern die Menschen den Einzug...
...feiern die Menschen den Einzug...
... der libyschen Rebellen nach Tripolis. Viele der feiernden Menschen...
... der libyschen Rebellen nach Tripolis. Viele der feiernden Menschen...
... dürften den gleichen Wunsch haben: Diese Männer bringen ihn mit einem selbst gemalten Plakat deutlich zur Geltung. 42 Jahre...
... dürften den gleichen Wunsch haben: Diese Männer bringen ihn mit einem selbst gemalten Plakat deutlich zur Geltung. 42 Jahre...
... Regierungszeit machten  Muammar al Gaddafi zu Afrikas dienstältestem Herrscher, er selbst nannte sich deshalb den
... Regierungszeit machten Muammar al Gaddafi zu Afrikas dienstältestem Herrscher, er selbst nannte sich deshalb den "König der afrikanischen Könige". Oberst Gaddafi, nach eigenen Worten 1942 in einem Beduinenstamm ... © AP/Sergei Grits
... in der Wüste nahe der Stadt Surt geboren, putschte sich im September 1969 unblutig an die Macht und rief wenige Jahre später den
... in der Wüste nahe der Stadt Surt geboren, putschte sich im September 1969 unblutig an die Macht und rief wenige Jahre später den "Staat der Massen" aus. Der regiert sich ... © AP/Francois Mori
... zumindest in der Theorie selbst und braucht folglich keinen Staatschef, weshalb Gaddafi sich nie so nennen ließ.
... zumindest in der Theorie selbst und braucht folglich keinen Staatschef, weshalb Gaddafi sich nie so nennen ließ. © REUTERS
Zu den harmlosen Sonderlichkeiten des Revolutionsführers gehört das berühmte Beduinenzelt, das er selbst zu Staatsbesuchen ins Ausland mitnimmt, weil er nicht in einem Haus schlafen mag. Eine weitere Schrulle ...
Zu den harmlosen Sonderlichkeiten des Revolutionsführers gehört das berühmte Beduinenzelt, das er selbst zu Staatsbesuchen ins Ausland mitnimmt, weil er nicht in einem Haus schlafen mag. Eine weitere Schrulle ... © REUTERS
... ist die frische Kamelmilch, auf die er morgens nicht verzichten mag, weshalb immer auch ein paar Kamelstuten mit ins Flugzeug müssen, wenn er auf Reisen geht.
... ist die frische Kamelmilch, auf die er morgens nicht verzichten mag, weshalb immer auch ein paar Kamelstuten mit ins Flugzeug müssen, wenn er auf Reisen geht. © REUTERS
Seine Herrschaft konnte Gaddafi aber nur mit eiserner Hand festigen. Politische Gegner wurden gnadenlos unterdrückt. Zugleich achtete er bei der Verteilung ...
Seine Herrschaft konnte Gaddafi aber nur mit eiserner Hand festigen. Politische Gegner wurden gnadenlos unterdrückt. Zugleich achtete er bei der Verteilung ... © REUTERS
... von Macht und Posten darauf, dass die komplizierte Stammesstruktur seines Landes nicht aus dem Gleichgewicht geriet. Ablehnung und Protest war Gaddafi daher während seiner Herrschaft bisher nur außerhalb seiner Heimat gewohnt.
... von Macht und Posten darauf, dass die komplizierte Stammesstruktur seines Landes nicht aus dem Gleichgewicht geriet. Ablehnung und Protest war Gaddafi daher während seiner Herrschaft bisher nur außerhalb seiner Heimat gewohnt. © REUTERS
Zum internationalen Paria wurde Gaddafi nach einer Serie von Anschlägen, die seinem Regime zugeschrieben wurden.
Zum internationalen Paria wurde Gaddafi nach einer Serie von Anschlägen, die seinem Regime zugeschrieben wurden. © REUTERS
Anfang der 90er Jahre verhängten die Vereinten Nationen ein Handelsembargo. Jahrelang hielt Gaddafi dem Druck stand, doch im Frühjahr 2003 entschädigte er dann die Opfer der beiden Flugzeuganschläge, ...
Anfang der 90er Jahre verhängten die Vereinten Nationen ein Handelsembargo. Jahrelang hielt Gaddafi dem Druck stand, doch im Frühjahr 2003 entschädigte er dann die Opfer der beiden Flugzeuganschläge, ... © REUTERS
... wenig später schwor er öffentlich seinem Rüstungsprogramm ab. Im darauffolgenden Jahr zahlte die Gaddafi-Stiftung auch Entschädigungen an die Opfer des La-Belle-Anschlags.
... wenig später schwor er öffentlich seinem Rüstungsprogramm ab. Im darauffolgenden Jahr zahlte die Gaddafi-Stiftung auch Entschädigungen an die Opfer des La-Belle-Anschlags. © AFP
Damit vollzog Gaddafi eine radikale Kehrtwende und streckte die Hand nach dem Westen aus. Libyen wurde wieder hoffähig, die UNO hob das Embargo auf. Internationale Konzerne standen ...
Damit vollzog Gaddafi eine radikale Kehrtwende und streckte die Hand nach dem Westen aus. Libyen wurde wieder hoffähig, die UNO hob das Embargo auf. Internationale Konzerne standen ... © REUTERS
... fortan in Tripolis Schlange, um Geschäfte mit dem viertgrößten afrikanischen Ölproduzenten einzufädeln. Die Europäer machten ihn zum Partner, um Flüchtlingsströme aus Afrika einzudämmen.
... fortan in Tripolis Schlange, um Geschäfte mit dem viertgrößten afrikanischen Ölproduzenten einzufädeln. Die Europäer machten ihn zum Partner, um Flüchtlingsströme aus Afrika einzudämmen. © REUTERS
1/16

Die EU entsandte zur Einschätzung der notwendigen Hilfsmaßnahmen ein Expertenteam nach Libyen. Unterstützt von der EU und den USA verstärkten Tunesien, Algerien und Ägypten ihre Bemühungen, Flüchtlinge aus dem benachbarten Libyen aufzunehmen und nach Hause zu bringen. Drei Schiffe der deutschen Marine nahmen am Samstag in Tunesien mehr als 400 ägyptische Flüchtlinge aus Libyen an Bord, die laut Bundeswehr den ägyptischen Hafen Alexandria binnen 67 Stunden erreichen sollten.

Nach Angaben der UNO sind bisher mehr als 191.000 Menschen vor den Kämpfen in Libyen geflohen. Zudem seien rund zehntausend Menschen auf dem Weg zur ägyptischen Grenze, teilte das UN-Büro für humanitäre Angelegenheiten (OCHA) mit. Die Mehrheit der Flüchtlinge seien Gastarbeiter. EU-Kommissarin Kristalina Georgiewa warnte, die Kämpfe zwischen Anhängern und Gegnern Gaddafis trieben zunehmend auch Einheimische in die Flucht.