Essen/Dortmund. . Der Fall Guttenberg endete mit Guttenbergs Fall. Dass es dazu kam, ist vor allem dem Netz zu verdanken. Nie war es so mächtig wie heute.
Das Netz ist dabei, die fünfte Macht im Staate zu werden. Nie war der Einfluss des Internets größer als bei Aufstieg und Fall des zurückgetretenen Verteidigungsministers Karl-Theodor zu Guttenberg.
Die Internetseite „de.guttenplag.wikia.com“ listete gestern feinsäuberlich des zeitweiligen Doktors Verfehlungen auf: „Auf 324 der 393 Seiten der Dissertation wurden bisher plagiierte Stellen gefunden. Dies entspricht 82,44 Prozent. Es sind nun 891 Plagiatfragmente aus über 120 verschiedenen Quellen mit zu-sammen 8061 von insgesamt 16 325 Zeilen der Arbeit dokumentiert.“
Experte: drei Gruppen am Werk
Einzig dem Internet ist es zu verdanken, dass die Dissertation so schnell als Mogelpackung enttarnt wurde. Die Arbeitsteilung der Plagiatsjäger beschleunigte das Verfahren. Netz-Experte Markus Beckedahl sah laut „Frankfurter Rundschau“ drei Gruppen am Werk: Guttenbergs Gegner, Wissenschaftler, die ihren Berufsethos bedroht sahen, und Online-Spezialisten, die puren Spaß an politischer Schnitzeljagd hatten. Die Quellen-Suche sah Beckedahl als nicht gesteuert, die Vernetzung zeitlich begrenzt.
Der Netz-Experte
Markus Beckedahl, Jahrgang 1976, ist ein netzpolitischer Aktivist aus Berlin. Er wurde vor allem durch das von ihm 2002 gegründete Blog „netzpolitik.org“ bekannt, in dem Themen der Informationsgesellschaft behandelt werden. Beckedahl steht den Grünen nahe.
Dafür aber umso erfolgreicher: Der locker organisierte Internet-Protest war letztlich stärker als der Beistand von Guttenbergs Hausblättern „Bild“ und „Bild am Sonntag“.
Internet-Aktivist Beckedahl zog daraus den Schluss, das Netz habe sich zur fünften Macht im Staat gemausert. Die „Netzöffentlichkeit“ helfe den Medien als vierter Macht, Staat, Justiz und Verwaltung zu kontrollieren.
Eine wichtige Rolle in der Debatte spielte auch das soziale Netzwerk Facebook. Es wird nicht nur von Guttenbergs Kritikern, sondern auch von seinen Fans genutzt. Die Gruppe „Wir wollen Guttenberg zurück“ brachte es bis Mittwochnachmittag (2. März) auf mehr als 368 000 Unterstützer. „Gegen die Jagd auf Karl-Theodor zu Guttenberg“ sprachen sich immerhin mehr als 328 000 Sympathisanten aus.
Die „Frankfurter Allgemeine Zeitung“ setzte im Kampf gegen den Plagiator noch eine andere Waffe ein: die Karikatur. Sie kursierten auf gutem, alten Papier, aber auch in der Netz-Welt. Merkels Glamour-Boy schrumpfte binnen kurzem buchstäblich zur Witzfigur. Der Schmäh mag eine Randerscheinung gewesen sein. Aber er gab ihm den Rest.