Berlin. Die SPD bleibt der Koalition treu. Sie hat dem Antrag der Grünen im Bundestag auf eine Wahlrechtsreform eine Absage erteilt. Und das, obwohl das jetzige Wahlrecht vor allem der Union und der FDP helfen dürfte. Es blieb lediglich bei scharfen Angriffen gegen die Union.

Für die kommende Bundestagswahl bleibt es beim bisherigen Wahlrecht, obwohl es dem Grundgesetz widerspricht. Ein Gesetzentwurf der Grünen zur Korrektur der vom Verfassungsgericht kritisierten Rechtslage scheiterte am Freitag im Bundestag. Von 493 teilnehmenden Abgeordneten stimmten nur 97 mit Ja, 391 mit Nein. Fünf enthielten sich.

Der SPD-Abgeordnete Klaus Uwe Benneter hielt ein flammendes Plädoyer für den Gesetzentwurf der Grünen und griff den Koalitionspartner Union ungewöhnlich scharf an. «Das nächste Parlament wird nach einem in der Sache verfassungswidrigen Wahlrecht gewählt werden», sagte er. Schuld daran seien CDU/CSU und FDP, weil sie keine schnelle Korrektur des Wahlrechts wollten. «Sie versündigen sich an einem grundlegenden Demokratieprinzip», sagte Benneter.

Bruch erwogen

Die SPD hatte einen Bruch des Koalitionsvertrages erwogen, der ein Stimmen mit der Opposition gegen den Willen des Partners ausschließt. Dass sich die Sozialdemokraten letztlich doch der Koalitionsräson beugten, begründete Benneter damit, dass der Entwurf sonst ohnehin im Bundesrat gestoppt würde. Eine Mehrheit im Bundestag hätte nur mit dem politisch heiklen Zusammenwirken von Grünen, SPD und Linken zustande kommen können.

Das Bundesverfassungsgericht hatte im Juli 2008 entschieden, dass das bisherige Wahlrecht wegen negativer Stimmengewichtungen verfassungswidrig sei. Allerdings räumte das Gericht zur Korrektur eine Frist bis Mitte 2011 ein. Die Union argumentierte, das Wahlrecht sei so kompliziert, das man die Änderung lieber nach der Wahl in Ruhe beraten wolle.

Da das Gericht die Frist so lange ausgedehnt habe, sei die Wahl nach altem Recht auch ausdrücklich gebilligt, sagten der CDU-Politiker Günter Krings und sein CSU-Kollege Wolfgang Götzer. «Eine größere Legitimierung für den 27. September und das Prozedere hat es noch nie gegeben», sagte Götzer. Auch inhaltlich sei der Entwurf der Grünen abzulehnen.

«Wir haben alles getan»

SPD-Politiker Benneter warf der Union dagegen offen vor, die Reform nur aus Eigennutz zu blockieren. Sie hoffe auf viele Überhangmandate bei der Bundestagswahl im September. Während die SPD bereits unmittelbar nach dem Verfassungsurteil vor einem Jahr auf Verhandlungen gedrungen habe, habe die CDU/CSU nicht mitgezogen. «Wir haben alles getan, um zügig zu einer verfassungsgemäßen Lösung zu kommen», sagte Benneter. «Heute wissen wir: Alle Gespräche mit der CDU/CSU waren Scheingespräche.»

Grüne, Linke und FDP warfen wiederum der SPD Scheinheiligkeit vor, weil sie gegen ihre eigene Überzeugung die Änderung nicht durchsetzte.

Inhaltlich geht es um eine komplizierte Sonderkonstellation im Zusammenhang mit Überhangmandaten. Diese bekommen Parteien dann, wenn sie in einem Bundesland mehr Direktmandate bekommen als ihnen nach Zweitstimmen zustehen. Das Gericht hatte bemängelt, dass nach bestehendem Recht der Zweitstimmen-Anteil zu gering bewertet könnten. (ap)