Osnabrück. Von wegen "Koalitionstreue": In der Debatte um eine schnelle Änderung des Wahlrechts muss die SPD-Spitze mit Widerstand aus der eigenen Fraktion rechnen. Das sagt der innenpolitische Sprecher der SPD-Fraktion, Dieter Wiefelspütz, in einem am Dienstag erschienen Zeitungsinterview.
In der Debatte um ein schnelle Änderung des Wahlrechts muss die SPD-Spitze mit Widerstand aus der eigenen Fraktion rechnen. Der «Neuen Osnabrücker Zeitung» (Dienstag) sagte der innenpolitische Sprecher der SPD-Fraktion, Dieter Wiefelspütz: «In der SPD-Fraktion sind viele stinksauer auf die machttaktische Blockade der Union. Ich kann mir nicht vorstellen, dass die Abgeordneten jetzt einfach zur Tagesordnung übergehen.»
Er bezweifle, dass sich die Fraktion geschlossen überzeugen lasse, am Freitag im Bundestag gegen eine Reform des Wahlrechts und damit gegen die eigene Überzeugung zu stimmen, sagte Wiefelspütz.
Koalitionstreue oder Koalitionsknatsch?
Im Koalitionsvertrag ist festgelegt, dass Union und SPD Gesetzesänderungen nur gemeinsam beschließen. Weil die Union eine schnelle Reform des Wahlrechts aber ablehnt, hatte SPD-Generalsekretär Hubertus Heil am Montag angekündigt, die SPD wolle die von ihr geforderte Reform nicht im Alleingang mit der Opposition durchsetzen.
Unterdessen warnt der Speyrer Verwaltungswissenschaftler Hans-Herbert von Arnim, dass bei der kommenden Bundestagswahl ein «Systemfehler» im Wahlrecht gezielt ausgenutzt und so das gesamte «Wahlsystem in Misskredit» gebracht werden könnte: «Die Überhangmandate könnten dieses Mal tatsächlich die Wahl entscheiden», sagte Arnim der «Financial Times Deutschland» (Dienstagausgabe). «Und noch viel schlimmer: Es könnte eine richtige Kampagne gemacht werden, um Erst- und Zweitstimmen auf zwei Parteien aufzuteilen. Das könnte das Zünglein an der Waage sein.»
Kritikpunkt Stimmensplitting
So könnten Union und FDP ganz gezielt in gewissen Bundesländern für Stimmensplitting werben. Das gelte etwa für Sachsen und Baden-Württemberg, wo die CDU viele Überhangmandate erzielt hat. Die CDU könnte ihre Wähler dazu aufrufen, ihre Zweitstimme den Liberalen zu geben. Das würde die Mandatsausbeute für Schwarz-Gelb maximieren.
Arnim übte auch Kritik am Bundesverfassungsgericht, das dem Gesetzgeber eine lange Frist für die Neuordnung des Wahlrechts gelassen hat - bis 2011. «Das Gericht hat sich und damit das Wahlsystem quasi in eine Falle bugsiert», sagte Arnim. Er sprach sich dafür aus, die Reform noch in dieser Woche anzugehen. (ap/ddp)