Düsseldorf. . Der türkische Ministerpräsident Recep Tayyip Erdogan hat seine in Deutschland lebenden Landsleute zur Integration aufgefordert. Sie sollen zudem die deutsche Sprache lernen. Gleichzeitig warnt Erdogan vor Islamophobie und Ausländerfeindlichkeit.

Der türkische Ministerpräsident Recep Tayyip Erdogan hat türkischstämmige Bürger vor rund 10.000 Menschen in Düsseldorf aufgefordert, sich in Deutschland zu integrieren und die deutsche Sprache zu lernen. Eine „Assimilation“ lehnte er aber wie vor drei Jahren bei seiner Rede in Köln ab. Niemand dürfe eine Minderheit aus ihrer Kultur herausreißen. Erdogan bezeichnete die Islamophobie und den Antisemitismus in einem Atemzug als „Verbrechen gegen die Menschlichkeit“. Er forderte die deutsche Politik auf, entscheiden gegen Ausländerfeindlichkeit vorzugehen. Der Politiker, der am Montag mit Angela Merkel sprechen will, hat außerdem angekündigt, die „Blaue Karte“, die ehemaligen türkischen Staatsbürgern Privilegien in der Türkei sichert, erheblich aufzuwerten und einem Personalausweis gleichzusetzen.

„Die Türkei wird Euch nie im Stich lassen“

Es war die ganz große Show, und es gab nur einen Star: Recep Tayyip Erdogan. Der türkische Ministerpräsident ließ sich gestern in Düsseldorf von über 10000 Anhängern feiern. Seine Botschaft an die im Ausland lebenden Landsleute: Seid stolz auf Eure Leistung und auf die Heimat: „Die Türkei wird Euch nie im Stich lassen.“ Erdogan lässt sein Publikum lange warten, und er bringt zunächst eine schlimme Nachricht mit: Die vom Tod seines politischen Ziehvaters Necmettin Erbakan.

Danach streichelt Erdogan die Seele der Türkischstämmigen. Sie seien 50 Jahre nach der Emigration keine Gastarbeiter mehr, auch keine „Deutschländer“, sondern hätten es mit Fleiß und Intelligenz weit gebracht: „Ihr seid Fußballspieler, Ingenieure, Geschäftsleute“, ruft er denen entgegen, die sich in den letzten Monaten zu oft und zu hart von der deutschen Gesellschaft kritisiert fühlten. Sie lieben und feiern ihn dafür, sie schwenken türkische und auch einige deutsche Fahnen.

„Wir sind extra aus Belgien mit dem Auto angereist, um unseren Ministerpräsidenten zu sehen“, sagt Cemal Uslucan, der es kaum fassen kann Erdogan live erleben zu können. Der türkische Premier bekommt bei den Zuhörern in Düsseldorf immer wieder frenetischen Applaus und viel Zustimmung. Niyazi Demir ist mit vier Freunden aus Bremen angereist und zufrieden mit Erdogans Rede: „Erdogan und die AKP tun der Türkei gut, sowohl aus wirtschaftlicher Sicht, als auch was das Selbstbewusstsein der Türken in der ganzen Welt angeht.“ Das wird auch immer wieder an den Reaktionen des Publikums deutlich. „Die Türkei ist stolz auf dich“, skandieren die rund 10000 AKP-nahen Türken im Saal.

Besucher feiern Erdogan wie einen Popstar

Dass zur großen Inszenierung Erdogans als treusorgender Staatsvater aller Türken, vor allem Personen in den Saal gekommen sind, die der Linie seiner Partei treu sind, wird beim Blick ins Publikum klar. In den Gängen des großen Veranstaltungssaals tummeln sich Menschen aus dem konservativen Wählerlager mit kleinen AKP-Fähnchen. Die Menschen feiern Erdogan wie einen Popstar und er weiß genau, wie er die Herzen seiner Fans für sich gewinnt: „Ich bin sehr stolz auf euch und wir sind immer für euch da. Wenn einer unserer Brüder und Schwestern Nasenbluten hat, dann tut es allen Türken auf allen fünf Kontinenten weh. Die Türkei ist stark und dadurch werdet auch ihr immer stärker.“ Das Publikum hält es nicht mehr auf den Sitzen.

Erdogan ist bemüht, auf deutscher Seite kein Porzellan zu zerschlagen. Seine Kritik bleibt leise und subtil: „Jeder hat das Recht, seinen Glauben zu leben“, sagt er. Und: „Unsere Kinder müssen gut Deutsch lernen, aber sie müssen zuerst gut Türkisch lernen.“ Über das strittige Thema EU-Beitritt verliert der Politiker in der Mehrzweckhalle „Dome“ kein Wort. Aber er redet von Menschenrechten, die die Tükei überall auf der Welt achte und verteidige. Türkischstämmige Bürger in Deutschland sollen es bald leichter haben, vor Deutschland aus an türkischen Wahlen teilzunehmen. Darüber will Erdogan heute mit der Kanzlerin reden. Er selbst hat ein großes Interessse daran, denn im Sommer stehen die Parlamentswahlen an.

"Wir beschützen Euch überall auf der Welt"

Und Erdogan lobt die moderne Türkei, das Wirtschaftswunder dort, die Verwandlung des armen Landes in ein reiches, starkes und in aller Welt geachtetes Mitglied der Völkergemeinschaft. Diesen Respekt hätten auch die Türken im Ausland verdient. „Ihr seid Brüder und Schwestern ersten Grades. Wir beschützen Euch überall auf der Welt.“ Auch in Deutschland.

Die Türkei sei auf dem Weg zur „zehngrößten Wirtschaftsnation der Welt“, unterstreicht Erdogan. Soll heißen: An uns kommt keiner mehr vorbei. Das neue Selbstbewusstsein dokumentiert auch ein Videofilm, der schon Stunden vor Erdogans Rede in der Halle zu sehen ist: Der Ministerpräsident im Gespräch mit Obama, Sarkozy, Putin, Barroso, sogar mit Ahmadinedschad. Und natürlich auch mit Merkel. Fortsetzung folgt schon am Montag.