München/Istanbul. .
CSU-Generalsekretär Alexander Dobrindt hat den türkischen Regierungschef Recep Tayyip Erdogan scharf angegriffen: „Ganz grundsätzlich, aber auch wegen Herrn Erdogan, wird die Türkei nicht EU-Mitglied werden.“ Die Kanzlerin sprach sich derweil für Visa-Erleichterungen aus.
Dobrindt warf Erdogan im Gespräch mit dem „Münchner Merkur“ vor, nur Forderungen zu stellen und selbst nichts beitragen zu wollen. „Mit dieser Haltung der Kompromisslosigkeit und des Egoismus kommt Herr Erdogan niemals nach Europa“, sagte Dobrindt. Europa sei auf den „Werten von Miteinander und Konsensbereitschaft aufgebaut“, sagte Dobrindt.
Dobrindt warf dem Bericht zufolge Erdogan vor, Misstrauen zwischen Deutschen und den in Deutschland lebenden Türken zu schüren. „In Deutschland schlägt den Türken kein Hass entgegen, aber wer so etwas behauptet, vergiftet das Klima zum Schaden der Integration“, sagte er.
Der Ton in den Auseinandersetzungen zwischen Deutschland und der Türkei war in den vergangenen Tagen teilweise sehr scharf gewesen. Erdogan sprach am Wochenende von „Hass“, der seinem Land in Deutschland entgegenschlage. Bei dem zweitägigen Besuch von Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) in der Türkei zeigte sich Erdogan jedoch am Dienstag zufrieden. Die Gespräche über türkische Schulen in Deutschland seien erfolgreich gewesen.
Erdogan sieht Bundesrepublik in der Pflicht
Über die Frage des türkischen EU-Beitritts blieben die Differenzen jedoch bestehen. Der türkische Ministerpräsident Recep Tayyip Erdogan sieht die Bundesregierung bei den EU-Beitrittsverhandlungen für sein Land in der Pflicht. Die Türkei wolle Deutschland als Befürworter eines Beitritts sehen, sagte Erdogan am Dienstag beim deutsch-türkischen Wirtschaftsforum in Istanbul. Sein Land wolle der EU nicht beitreten, um eine Last zu sein, sondern um Lasten mitzutragen.
Erdogan bedauerte, dass derzeit zahlreiche Verhandlungskapitel blockiert sind und sagte, er erwarte von Deutschland in dieser Frage Unterstützung. Die EU-Beitrittsverhandlungen der Türkei laufen seit 2005, kommen aber nur schleppend voran. Mehrere Verhandlungskapitel sind derzeit eingefroren. Ein Hindernis ist die Weigerung der Türkei, ihre Häfen und Flughäfen für zypriotische Schiffe und Flugzeuge zu öffnen.
Auch die Bundesjustizministerin Sabine Leutheusser-Schnarrenberger (FDP) hält die Türkei im Streit um eine EU-Mitgliedschaft auf längere Sicht für nicht beitrittsfähig. „Aus rechtsstaatlicher Sicht sehe ich noch deutlichen Nachholbedarf“, sagte die Ministerin der „Rheinische Post“ laut einem Vorabbericht. Auch mehrere CDU-Ministerpräsidenten lehnten am Dienstag erneut eine EU-Vollmitgliedschaft der Türkei ab.
Merkel befürwortet Visa-Erleichterungen
Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) hat sich unterdessen grundsätzlich für Visa-Erleichterungen für die Türkei innerhalb der EU ausgesprochen. Denkbar sei etwa, die Reisebedingungen für Wirtschaftsvertreter, aber auch für Studenten und Künstler zu erleichtern, sagte Merkel am Dienstag beim deutsch-türkischen Wirtschaftsforum in Istanbul. „Wir alle haben daran Interesse“, betonte sie. Wichtig sei aber, dass die Türkei ihre Grenzen besser absichere. Das Land sei dabei bereits auf einem guten Weg. Außerdem müsse über ein Rückführungsabkommen verhandelt werden. „Das sind praktische Dinge, die wir auch beschleunigen müssen“, sagte sie.
Die Regierung in Ankara hatte unter Verweis auf die Visafreiheit der EU mit Serbien, Mazedonien und Montenegro gleiches Recht für ihre Staatsbürger gefordert. Die Türkei fühlt sich benachteiligt, da sie dem Visumzwang unterliegt, obwohl die Verhandlungen für einen EU-Beitritt bereits laufen. Die Bürger aus den ehemaligen jugoslawischen Teilstaaten können dagegen visumfrei reisen, obwohl ihre Länder nicht einmal mit Beitrittsgesprächen begonnen haben.
Wegen ihrer Lage an der Schwelle zu Asien ist die Türkei ein wichtiges Durchgangsland für Menschen aus Nahost, Asien und Afrika auf dem Weg nach Europa. Bislang weigert sich die Türkei, Flüchtlinge, die über ihr Territorium in die EU eingereist sind, nach der Abschiebung wieder aufzunehmen. Dies wäre jedoch Voraussetzung für eine Lockerung der Reisebestimmungen mit der EU. (afp/ddp)