Berlin. . Die Wehrpflicht soll ausgesetzt werden. Darüber sind sich alle Parteien einig, wie die aktuelle Bundestagsdebatte zeigte. Allerdings ist der Zeitpunkt noch strittig. Die SPD hält die Reform für schlecht vorbereitet und fordert eine Verschiebung.
Das geplante Ende der Wehrpflicht zur Jahresmitte findet im Bundestag breite Unterstützung. Neben der schwarz-gelben Koalition lobten am Donnerstag im Grundsatz auch alle Oppositionsparteien die Pläne, für die Verteidigungsminister Karl-Theodor zu Guttenberg (CSU) noch einmal warb. Allerdings verlangte die SPD eine Verschiebung der Reform, weil sie schlecht vorbereitet sei.
Die seit mehr als fünf Jahrzehnten geltende Wehrpflicht soll zum 1. Juli offiziell ausgesetzt werden. Doch kann sie im Notfall wiederbelebt werden. Die letzten 12.150 Wehrpflichtigen waren Anfang Januar eingezogen worden. Künftig setzt die Truppe auf Freiwillige. Mit der Reform entfällt auch die Grundlage für die Zivildienst, der durch einen Bundesfreiwilligendienst ersetzt wird.
„Hochprofessionelle Soldaten“ werden gebraucht
Guttenberg sagte bei der ersten Lesung seines Gesetzes, er selbst sei immer ein Befürworter des verpflichtenden Wehrdiensts gewesen, und die Beendigung sei ihm schwer gefallen. Doch seien die Analysen der heutigen Situation der Bundeswehr eindeutig: „Die Verpflichtung zum Grundwehrdienst ist heute sicherheitspolitisch nicht mehr begründbar“, sagte der CSU-Politiker. Wichtig sei heute eine stärkere Einsatzorientierung. Nicht ein großer Umfang zähle, sondern hochprofessionelle Soldaten.
Die Nachwuchsgewinnung werde eine große Herausforderung werden. In dem Zusammenhang stellte Guttenberg die von ihm geforderten Sparbeiträge für die Haushaltskonsolidierung erneut infrage. Er sagte zwar: „Auch wir müssen sparen.“ Doch müsse sich die Truppe auch zukunftsfest aufstellen. Deshalb gelte für die künftige Finanzierung: „Wir müssen weiter freundschaftlich und intensiv in der Bundesregierung verhandeln.“
Mehr Zeit zum Sparen
Derweil gibt das Bundesfinanzministerium zu Guttenberg offenbar länger Zeit für die von ihm geforderten Einsparungen von über acht Milliarden Euro. Zwar heißt es in der Beschlussempfehlung, die der Nachrichtenagentur Reuters vorlag: „Die inzwischen beschlossene Aussetzung der Wehrpflicht und die schrittweise Reduzierung der Personalstärke der Streitkräfte sowie des Zivilpersonals führen zu erheblichen, auf der Zeitachse steigenden Minderausgaben.“
Konkret soll der Verteidigungshaushalt von rund 31,7 Milliarden Euro im Jahr 2012 auf rund 30,4 Milliarden Euro im Jahr 2015 sinken. Damit werde das Verteidigungsministerium seinen Beitrag zu den erforderlichen Einsparungen im Bundeshaushalt erbringen, heißt es in der Beschlussvorlage.
SPD-Chef Sigmar Gabriel warf der Regierung vor, die Reform in erster Linie als Möglichkeit zum Sparen zu sehen, was Soldaten gefährden könne. Zudem sei die Aussetzung der Wehrpflicht schlecht vorbereitet. Es sei absehbar, dass zum 1. April nicht genügend Freiwillige für den Wehrdienst zu finden seien, weil die Rahmenbedingungen unklar seien. Gabriel forderte: „Verschieben Sie die Reform so lange, bis Sie wissen, wie Sie das machen wollen.“
Der SPD geht es zu schnell, den Grünen zu langsam
Die Grünen kritisierten dagegen, die Aussetzung der Wehrpflicht komme zu spät. An der Sicherheitslage Deutschlands habe sich seit dem Mauerfall wenig geändert, sagte Fraktionschef Jürgen Trittin. Guttenberg habe einen „beispiellosen Schlingerkurs in der Sache“ bewiesen - auch in der Frage, ob die Wehrpflicht beendet werden solle.
Die Linke begrüßte zwar auch die geplante Aussetzung der Wehrpflicht, kritisierte aber die Umstellung auf eine Freiwilligenarmee. Ziel der Regierung sei eine schlagkräftigere Truppe und die Fortsetzung von Kriegen im Ausland. „Die Linke ist gegen diese Kriege“, sagte Christine Buchholz. Freiwillig melden würden sich verstärkt Männer aus sozial schwachen Gebieten. „Im Klartext heißt das, die Armen werden zum Kanonenfutter“, sagte die Abgeordnete. „Das machen wir nicht mit.“
Union und FDP unterstützten die Linie des Ministers. Der CSU-Politiker Reinhard Brandl betonte allerdings noch einmal, wie schwer der Union die Aussetzung der Wehrpflicht falle. Die FDP-Expertin Elke Hoff sprach von einer „historischen Zäsur“. (dapd/rtr)