Berlin. Kassenpatienten sollen nach einem Vorschlag von Wissenschaftlern künftig viel mehr selbst zahlen. Die Krankenkassen sollen demnach nur noch für eine "Grundversorgung" aufkommen, Zusatzleistungen müssten die Patienten selbst begleichen. Auch chronisch Kranke würden deutlich stärker zur Kasse gebeten.
Kassenpatienten sollen nach einem Vorschlag von Wissenschaftlern künftig viel mehr selbst zahlen. Demnach sollen die Krankenkassen nur noch eine «Grundversorgung» übernehmen, Zusatzleistungen müssten die Patienten selbst begleichen, wie das Fritz Beske Institut für Gesundheits-System-Forschung am Donnerstag in Berlin erläuterte.
Das bisherige System von Zuzahlungen - die Praxisgebühr, Arzneimittel- und Krankenhauszuzahlungen - mache das System der Gesetzlichen Krankenversicherung zunehmend unübersichtlich. «Wir brauchen endlich klare und einsehbare Regelungen bei Zuzahlungen und Festbeträgen im Rahmen eines Gesamtkonzepts», erklärte Institutsleiter Fritz Beske.
Seine Vorschläge laufen allerdings in erster Linie auf eine höhere Eigenbeteiligung hinaus. Gravierendste Neuerung wäre demnach die Trennung in Grund- und Zusatzleistungen. Nur die Grundleistungen würden noch von der Krankenkasse in Form eines «Festzuschusses» abgedeckt. «Die über die Grundversorgung hinausgehende Leistung wird vom Versicherten selbst bestimmt und selbst bezahlt», erklärte Beske.
Begründet wird dies mit den erwarteten steigenden Gesundheitskosten. Deshalb müsse der zu deckende Bedarf «ständig neu definiert werden», erklärte Beske. «Dies wird eine Reduzierung des heutigen Leistungsumfangs zur Folge haben.»
Keine Sonderregel mehr für chronisch Kranke
Auch chronisch Kranke will der Wissenschaftler deutlich stärker zur Kasse bitten. Für sie soll dem Vorschlag zufolge nicht länger eine niedrigere Belastungsgrenze von einem Prozent des Jahreseinkommens gelten, sondern zwei Prozent wie für alle anderen. Betroffen wären immerhin 6,31 Millionen Menschen, die 2007 aufgrund der Ein-Prozent-Regelung im Lauf des Jahres von den Zuzahlungen befreit wurden. Beske begründet den Vorschlag sowohl mit den erwarteten zusätzlichen Einnahmen als auch mit der «Vereinfachung».
Auch in der Apotheke sollen Kassenpatienten diesen Vorschlägen zufolge mehr zuzahlen. Ist die Selbstbeteiligung heute bei zehn Euro gedeckelt, will Beske die Kappungsgrenze auf 20 Euro anheben. Die bisherige Regelung habe sich nicht bewährt.
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Dieses Urteil fällt Beske auch über die Praxisgebühr von zehn Euro, die er reformieren will: Nicht beim ersten Besuch im Quartal soll die Gebühr fällig werden, sondern zum Beispiel ab dem 4. Arztbesuch im Quartal. Die Gebühr soll nicht mehr Erlassen oder verrechnet werden können. Davon verspricht sich der Wissenschaftler eine bessere Steuerungswirkung.
Bei Hausbesuchen sollen nach Beskes Vorstellungen in jeden Fall zehn Euro fällig werden, die der Arzt behalten dürfen soll. Damit will der Wissenschaftler unnötige Hausbesuche unterbinden und gleichzeitig die ärztliche Vergütung für solche Besuche verbessern.
Für künstliche Befruchtungen schlägt Beske eine Drittelung der Kosten zwischen Krankenkassen, Staat und den betroffenen Paaren vor; diese Einzelregelung liefe auf geringere Kosten für die Patienten hinaus als heute. Bei Psychotherapien sollen Patienten zehn Prozent pro Sitzung zuzahlen. Im Krankenhaus soll die Befristung der Zuzahlung auf 28 Behandlungstage entfallen.
Welchen Chancen auf eine konkrete Umsetzung Beskes Vorschläge haben, ist derzeit noch nicht absehbar. Gesundheitsministerin Ulla Schmidt äußerte sich am Donnerstag in einer ersten Reaktion skeptisch. «Es gibt immer Vorschläge», sagte die SPD-Politikerin in Berlin. «Man muss sie nicht alle umsetzen.»
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