Berlin. . Die Twitter- und Facebook-Generation ist gerade dabei, ihren Helden „KT“ zu entzaubern. Zu Hunderten suchen die User nach weiteren Plagiaten in der Doktorarbeit des Verteidigungsministers.

„Eine Karriere scheinbar aus dem Nichts. Der erste deutsche Spitzenpolitiker der Twitter- und Facebook-Generation.“ Worte von Alt-Außenminister Joschka Fischer. Geschrieben zu einer Buchvorstellung über das Phänomen Karl-Theodor zu Guttenberg nächste Woche. Die Sätze transportieren bittere Ironie. Die Twitter- und Facebook-Generation ist gerade dabei, ihren Helden „KT“ zu schreddern.

Mit Schwarm-Intelligenz. Hunderte Netzbewohner haben die Ermittlungen in der Frage, ob der Bundesminister der Verteidigung bei seiner Doktorarbeit punktuell geschludert oder nachhaltig fremdes geistiges Eigentum entwendet hat, persönlich in die Hand genommen. Auf Webseiten wie http://de.guttenplag.wikia.com. Jeder kann mitmachen beim Aufspüren von Doktorarbeit-Sätzen, die von vielen Autoren stammen. Nur nicht von Guttenberg.

Er selbst hat davon erst am Nachmittag erfahren. Nach der Rückkehr von einem 24-Stunden-Trip inklusive Übernachtung im Feldbett auf einem Außenposten im Norden Afghanistans. Der neunte Besuch des Inhabers der Befehls- und Kommandogewalt bei den deutschen Soldaten wirkt wie die Flucht vor dem Gewitter, das sich daheim binnen weniger Stunden über dem CSU-Publikumsliebling zusammengebraut hat.

Guttenbergs Kapital, die Glaubwürdigkeit, ist bedroht

Wie es um ihn steht? Weil außer dem Herausgeber der „Frankfurter Allgemeinen Zeitung“, Berthold Kohler, keine Presse dabei war, ist nicht objektiv überliefert, wie Guttenberg mit der Bedrohung seines wichtigsten politischen Kapitalstocks umgeht: Glaubwürdigkeit.

Dass es so schnell gehen würde, dass selbst der Union nahe stehende Parteienforscher wie Gerd Langguth plötzlich über die reale Gefahr eines jähen Karrierebruchs räsonieren, hatte Guttenberg auf seiner jüngsten Dienstreise nach Indien nicht mal geahnt. Hoch über dem Schwarzen Meer ließ er die mitreisenden Beobachter im Regierungs-Airbus wissen, dass er erst in „gut sechs Wochen“ mit der nächsten Attacke der Opposition rechne. Es passierte viel schneller. Aber es greift keiner an. Diesmal hat sich Guttenberg selbst angreifbar gemacht. Die Gelassenheit dürfte dahin sein.

Überlebt ein Politiker den Gesichtsverlust?

Was, wenn die Universität Bayreuth nach Fußnotenzählen und Original-Plagiat-Vergleichen seinen Doktorhut einkassiert? Kann ein Ex-Dr. zu Schummelberg die größte Bundeswehr-Reform nach dem Krieg stemmen? Überlebt ein Politiker solch einen Gesichts- und Autoritätsverlust, der es in so kurzer Zeit vermocht hat, dass die Menschen ihm fast blindes Vertrauen schenken? „Scheiß auf den Doktor!“ bollerte ein Boulevard-Blatt und verfügte: „Macht keinen guten Mann kaputt!“

Wie kaputt, wie angegriffen Guttenberg von den Eruptionen um ihn herum ist, sollte sich am Abend zeigen. In der Mittellandhalle zu Barleben in Sachsen-Anhalt hatte der Minister auf Einladung des CDU-Kreisverbandes Börde zu sprechen. Es sollte eigentlich um die Zukunft der Bundeswehr gehen. Es ging um die Zukunft Guttenbergs.