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Punktuelle Schlamperei bei seiner Doktorarbeit hat Verteidigungsminister Karl-Theodor zu Guttenberg nicht ausgeschlossen. Das kann als Teilgeständnis gewertet werden, meint Dirk Hautkapp - und es gibt Schlimmeres. Ein Kommentar.
Als der Wissenschaftler Clifford Gaddy vor fünf Jahren enthüllte, dass der frühere russische Präsident Wladimir Putin bei seiner Doktorarbeit wortgetreu aus einem amerikanischen Lehrbuch abgeschrieben hatte, wurde er nach den politischen Auswirkungen gefragt. Gaddys lakonische Antwort lautete: „Die Russen haben ihn nicht wegen seiner wissenschaftlichen Leistung gewählt.“
Im übertragenen Sinn dürfte das wohl auch auf Karl-Theodor zu Guttenberg zutreffen. Selbst dann, wenn die wissenschaftlichen Scharfrichter dem Baron nachweisen sollten, dass er die persönliche Schummelschwelle zu niedrig angesetzt hat und gehörig durch Textklau zum Doktorhut gekommen ist.
Für Politiker gehört das kreative Hantieren mit Textbausteinen fast zur Berufsbefähigung
In der titelverliebten Wissenschaftsgemeinschaft mag es ein übles Vergehen sein, sich beim Abschreiben erwischen zu lassen. Guttenberg ist Politiker. Da gehört das kreative Hantieren mit wohlklingenden Textbausteinen (auch) aus anderer Leute Hirnwindungen fast schon zur Berufsbefähigung. Auf diesem Feld hat Guttenberg, ein Meister der Bedeutungsschwere vorgaukelnden Wortgirlande, es erstaunlich weit gebracht.
Adel verpflichtet - zu nichts. Das zeigen seine Umfragewerte. Sollte die Zahl nicht ausgewiesener Fremdzitate in seiner Promotion nicht ins Unanständige abgedriftet sein, wird der Hoffnungsträger auch diesmal zum Leidwesen mancher, die seiner häufigen Pseudo-Klugschwätzerei überdrüssig sind, nicht mehr als kleinere Schrammen davon tragen.
Es gibt Schlimmeres als einen Minister, der sich Schritt für Schritt selbst entzaubert
Zumindest das Krisenmanagement deutet darauf hin. Guttenberg weiß, dass prominente Zitiersünder, die gern mit Begriffen wie „Anstand“ und „Glaubwürdigkeit“ und „Echtheit“ hausieren gehen, schnell in Ungnade fallen, wenn sie nicht bald öffentlich Buße tun. Dass der Mann punktuell schlampiges Handwerk bei sich selbst nicht ausschließt und den wahren Autoren die ihnen gebührende Schöpferwürde nachträglich pompös bescheinigen würde, hat darum schon den Charakter eines „Teil-Geständnisses“.
Eine Strategie, die Puristen als Not-List bemäkeln werden. Die große Mehrheit, vor allem jene, die sich ihr Weltbild vorzugsweise am Computer nach der Methode „Kopieren-Einfügen“ zusammengoogeln, werden sich an das Lied der „Prinzen“ erinnern („Alles nur geklaut“) und „Schwamm drüber“ rufen. Schließlich gibt es Schlimmeres als einen Minister, der sich Schritt für Schritt selbst entzaubert. Wichtigeres sowieso.