Paris. . Peinliche Flüge nach Ägypten und Tunesien bringen Frankreichs Regierung in Bedrängnis. Jetzt hat Staatschef Nicolas Sarkozy ein Reiseverbot erteilt. Denn die latente Verachtung der Franzosen für ihre Polit-Elite droht dramatisch zuzunehmen.

Die Franzosen reiben sich seit Tagen ungläubig die Augen. Zuerst wird ihnen das Stück „Die Ferien der Ma­dame Alliot-Marie“ präsentiert und nun auch noch die des Monsieur Fillon. Die Hauptdarsteller und ihre Reiseziele mögen wechseln, aber zu Lachen gibt es herzlich wenig. Im Gegenteil: Die höchst umstrittenen Privatflüge der Außenministerin und des Premierministers noch vor wenigen Wochen ausgerechnet in Tunesien und Ägypten liefern reichlich Stoff für eine Tragödie. Mit bitteren Konsequenzen. Die latente Verachtung der Franzosen für ihre Polit-Elite droht dramatisch zuzunehmen.

Staatspräsident Nicolas Sarkozy, so wird aus seinem engsten Umfeld kolportiert, kocht schon seit Tagen vor Wut. Er, der unermüdlich daran arbeitet, die Weichen für die Wiederwahl 2012 zu stellen, fürchtet nämlich, durch die jüngsten Turbulenzen jäh und aussichtslos zurückgeworfen zu werden. Demonstrativ reißt der Staatschef deshalb auf der Kabinettssitzung am Mittwoch den Steuerknüppel herum. Seine Minister, heißt es in einer wenig konzilianten Presseerklärung, sollten ihre Ferien von nun an gefälligst im eigenen Land verbringen. Ferner verlangt der erboste Präsident seinen Ministern „mustergültiges“ Verhalten ab.

In anderen Ländern hätten die pikanten Flugaffären allemal ausgereicht, um achtkantig aus der Regierung zu fliegen. Doch in Frankreich liegt die moralische Messlatte niedriger. Sarkozy steckt außerdem in einem Dilemma: Entlässt er seine Außenministerin, gibt es keinen plausiblen Grund, seinen Premier nicht auch in die Wüste zu schicken.

In Ben Alis Privatjet

Doch eine spektakuläre Dop­pel-Entlassung, die die Medien wochenlang in Atem halten würde, erscheint ihm viel zu riskant. So entscheidet er sich lieber für eine Kollektiv-Abstrafung der gesamten Regierungsmannschaft: Wer demnächst privat verreisen möchte, muss sich den „Urlaubsantrag“ von keinem Geringeren als Claude Guéant genehmigen lassen, Sarkozys allmächtigen Generalsekretär des Elysée.

François Fillon, der Premierminister, der aus der jüngsten Kabinettsumbildung gestärkt hervorgegangen ist, galt bislang als Ausbund an Tugendhaftigkeit. Seine lange Politiklaufbahn ist frei von Skandalen und Affären. Doch ebenso wie zuvor Michèle Alliot-Marie, die in Tunesien einen Privat-Jet des Ben-Ali-Clans nutzte, tappt auch Fillon zwischen Weihnachten und Neujahr tief ins Fettnäpfchen.

Bei einem Ägypten-Urlaub mit Ehefrau und Kindern lässt sich der französische Regierungschef in einem Jet aus der Flotte des ägyptischen Staatschefs von Assuan nach Abu Simbel fliegen. Während Alliot-Marie schon tagelang in der Schusslinie steht, hüllt sich Fillon in Schweigen. Erst als feststeht, dass die Satirezeitschrift „Le Canard Enchaîné“ am Mittwoch auch seine Jet-Affäre enthüllen würde, gibt der Premier eine umfassende Er­klärung ab. Darin heißt es zwar, dass er sämtliche Kosten für Flüge und Hotels erstattet habe. Doch sein Image ist nun ebenfalls schwer beschädigt. Was neben dem Vorwurf der Vorteilnahme am schwersten wiegt, ist der erschreckende Mangel an Fingerspitzengefühl. Denn sowohl der Premier als auch seine Außenministerin suchen in heikler Zeit die Nähe verhasster Despoten.

Offene Doppelmoral

Während die Tunesier und nach ihnen die Ägypter dabei sind, die Ketten der Unterdrückung zu sprengen, profitieren Frankreichs Spitzenpolitiker von eben je­nem Reichtum, den die Mubaraks und Ben-Alis aus ihren Völkern heraus pressten.

Übel stößt vielen Franzosen ferner die offenkundige Doppelmoral auf. Denn seit Monaten treiben Nicolas Sarkozy und seine Regierung ihre ächzenden Landleute an, den Gürtel enger zu schnallen und Opfer zu bringen. Sie selbst hingegen, so die Kritik, genießen den Luxus in vollen Zügen.