Essen. . Deutsche Rüstungskonzerne beliefern autokratische Regime weltweit. Jetzt hat das Bundeswirtschaftsministerium Rüstungsexporte nach Ägypten vorerst gestoppt.
Dieses Video ist eines der beeindruckendsten Dokumente des Volksaufstandes in Ägypten. Ein gewaltiger Wasserwerfer fährt in einer Straße in Kairo auf eine Gruppe Demonstranten zu. Ein Mann springt vor den Koloss, zwingt ihn zu stoppen, steht so nah vor ihm, dass er von dem Wasserstrahl nicht weggefegt werden kann. Das Bild erinnert an das historische Foto vom Tiananmen-Platz in Peking aus dem Jahr 1989, als ein einzelner Demonstrant eine Reihe von Panzern aufhielt.
In München wird man die Bilder aus Kairo mit Unbehagen gesehen haben. Dort sitzt der Maschinenbauer MAN, laut Bundesinnenministerium der Hersteller der Wasserwerfer der ägyptischen Polizei. „Das gefällt uns nicht. Aber wir haben nur die Fahrgestelle geliefert“, erklärt ein MAN-Sprecher auf Nachfrage. Manchmal würden eben „Güter für den zivilen Gebrauch umgerüstet“.
Das unangenehme Gefühl, ein autokratisches Regime mit Repressionsinstrumenten ausgestattet zu haben, hat wohl auch jüngst die Bundesregierung beschlichen. Das Wirtschaftsministerium stoppte vergangene Woche alle Rüstungsexporte nach Ägypten. 2009 hatten deutsche Firmen noch Rüstungsgüter im Wert von 77,5 Millionen Euro an das Regime von Hosni Mubarak geliefert.
Gute Geschäfte in zweifelhaftem Umfeld
Der Exportstopp wirkt heuchlerisch. Deutschland ist der drittgrößte Waffenexporteur weltweit, auch wenn das Volumen der Ausfuhrgenehmigungen im vergangenen Jahr sank. Deutsche Firmen verkauften 2009 Rüstungsgüter im Wert von fünf Milliarden in alle Welt. Zahlreiche Lieferungen gingen in Länder, in denen die Menschenrechtslage nur als prekär bezeichnet werden kann.
Neben Ägypten haben deutsche Rüstungsschmieden auch mit Algerien, Libyen, Pakistan, Marokko, Saudi-Arabien, Tunesien, Weißrussland, Kasachstan, Jemen und Jordanien gute Geschäfte gemacht. Nicht überall hin sind Waffen geliefert worden. Nach Algerien beispielsweise ging laut Exportbericht der Bundesregierung Kommunikationsausrüstung. Aber: „Kommunikationsausrüstung kann eingesetzt werden, um Oppositionelle zu überwachen“, sagt Jan Grebe vom Internationalen Zentrum für Konversion in Bonn. Der Rüstungsexperte wirft der Bundesregierung vor, leichtfertig Exportgenehmigungen zu erteilen.
Deutschland missachtet eigene Rüstungsexport-Richtlinien
Dabei hat Deutschland sich eigentlich eine restriktive Exportpolitik auferlegt. Laut den unter Rot-Grün im Jahr 2000 verabschiedeten Rüstungsexportrichtlinien muss bei der Erteilung von Genehmigungen „der Beachtung der Menschenrechte im Bestimmungs- und Endverbleibsland (...) besonderes Gewicht beigemessen“ werden. Exporte dürfen demnach nicht genehmigt werden „bei hinreichendem Verdacht des Missbrauchs zu innerer Repression oder zu fortdauernden und systematischen Menschenrechtsverletzungen“. Rüstungsexperte Grebe kritisiert, dass Deutschland „diese Richtlinien immer wieder missachtet“. Auch Amnesty International hat die Bundesregierung mehrfach angeprangert. „Menschenrechte sind offenbar ein nachrangiges Kriterium im Genehmigungsverfahren“, so der Rüstungsexperte der Organisation, Mathias John.
Nicht zuletzt droht sogar eine Aufweichung der Richtlinie. Wird die Bundeswehr wie geplant verkleinert, wird der Absatz von Rüstungsgütern im Inland sinken. Die „deutsche wehrtechnische Industrie“ werde mehr noch als bisher vom Export abhängig sein, heißt es vielsagend im Bericht der Bundeswehrstruktur-Kommission.
„Wir brauchen Transparenz“
Heidemarie Wieczorek-Zeul (SPD) hat als Entwicklungsministern elf Jahre im Bundessicherheitsrat über Kriegswaffenexporte mitentschieden. „Ich war immer für eine restriktive Rüstungsexportpolitik“, sagt sie. Der Bundessicherheitsrat tagt unter Ausschluss der Öffentlichkeit und unterliegt nicht der parlamentarischen Kontrolle. Ein Unding, findet Wieczorek-Zeul: „Wir brauchen die parlamentarische Beteiligung und mehr Transparenz.“ Der Bundestag müsse früher eingebunden werden, etwa über Beratungen im Auswärtigen Ausschuss. Generell, so die Sozialdemokratin, dürften „Waffen und andere Rüstungsgüter nicht in Länder mit einer schwierigen Menschenrechtslage oder instabile Regionen exportiert werden“.