Berlin. .
Heute wird das Gesetz zur Bekämpfung von Zwangsheirat, über das am 27.Oktober 2010 im Bundeskabinett abgestimmt wurde, in den Bundestag eingebracht. Zentrale Elemente des Gesetzesantrags sind ein eigener Straftatbestand zu Zwangsheirat und eine deutliche Verlängerung des Rechts auf Wiederkehr für Frauen und Männer, die im Ausland gegen ihren Willen verheiratet wurden. Beide Änderungen werden von Frauen- und Menschenrechtsorganisationen begrüßt. Große Kritik ruft jedoch die ebenfalls im Gesetzesentwurf enthaltende Erhöhung der Ehebestandszeit zur Erlangung eines ehepartnerunabhängigen Aufenthaltstitels von zwei auf drei Jahre hervor.
Alle Personen, die im Rahmen des Familiennachzugs nach Deutschland kommen, können demnach erst drei Jahre nach Zuzug eine vom Ehepartner unabhängige Aufenthaltserlaubnis beantragen. „Eine solche Erhöhung wäre fatal und hat absolut nichts in einem Gesetz zu suchen, dass eigentlich dem Schutz der Frauen dienen soll“, kritisiert Sybille Schreiber, Fachbereichsleiterin bei der Frauenrechtsorganisation Terres des Femmes, den Entwurf. In einem Online-Appell, den 49 weitere Frauen- und Hilfsorganisation unterschrieben haben, fordert Terres des Femmes die Bundesregierung auf, die angestrebte Erhöhung der Ehebestandszeit zu unterlassen. Ihr Argument: Für alle zuziehenden Ehepartnerinnen bedeute diese Erhöhung ein weiteres Jahr in völliger Abhängigkeit vom Partner.
Zwangsverheiratete Frauen bleiben häufig bei ihren Männern
Die Statistiken zeigen, dass der Ehegattennachzug vor allem Frauen betrifft. „Zurück ins Herkunftsland können die Frauen aber meist nicht, denn dort stehen sie im sozialen und ökonomischen Abseits und sind als geschiedene Frauen von der Gesellschaft geächtet“, resümiert die Menschenrechtlerin.
Aus diesem Grund würden die meisten zugezogenen Frauen, auch wenn es sich um eine Zwangsehe und eine Gewaltbeziehung handele, bei ihren Männern bleiben. Zwar existiert in der deutschen Gesetzgebung eine Härtefallregelung für Gewaltbeziehung, die Beweislast liegt jedoch bei den Betroffenen. „Für Frauen, die in einer Zwangsheirat stecken ist es oftmals unglaublich schwer, Nachweise für ihre Misshandlung mit Fotos und Zeugenaussagen zu erbringen“, so Schreiber. „Zudem wird den Betroffenen von den Ausländerbehörden und den Gerichten häufig nicht geglaubt.“
Zahl der Tatverdächtigen sinkt
Reinhard Grindel, Bundestagsabgeordneter der CDU-Fraktion und Mitglied im Innenausschuss, kann dieser Argumentation nicht folgen. Er ist überzeugt: „Wenn eine Frau sich in einer Notsituation befindet, greift die Härtefallregelung automatisch.“ Bei dem Gesetz handele es sich um die Umsetzung der im Koalitionsvertrag vereinbarten Änderungen im Aufenthaltsrecht und somit um eine Bündelung verschiedenster Maßnahmen. Grindel argumentiert, dass er die Lockerung des Rückkehrrechts „aus humanitären Gründen für richtig“ halte, gleichzeitig jedoch darauf geachtet werden müsse, dass im Ausgleich an anderer Stelle das Aufenthaltsgesetz dadurch „missbrauchsanfällig“ werde. „Die Ehebestandszeit zu erhöhen macht deswegen Sinn, weil wir damit den Behörden mehr Zeit geben, eventuellen Missbrauch und Scheinehen nachzuweisen“, sagte der CDU-Politiker.
Die Rot-Grüne Regierung hatte im Jahr 2000 die Frist für einen eigenen Aufenthaltstitel von vier auf zwei Jahre verkürzt. Inwieweit seitdem die Zahl der Scheinehen zugenommen hat, lässt sich jedoch nur schwer beurteilen. In dem Gesetzesentwurf von CDU und FDP heißt es schwammig, die Zahl der Scheinehen habe sich erhöht und bezieht sich dabei auf „Wahrnehmungen aus der ausländerbehördlichen Praxis“. Terres des Femmes wiederum verweist auf eine Anfrage, die die Bundestagsabgeordnete Sevim Dagdelen im Dezember 2010 an das Innenministerium gestellt hat: Diese ergab, dass seitdem die zweijährige Ehebestandszeit in Kraft getreten ist, sich die Zahl der Tatverdächtigen einer Scheinehe von 5 249 Personen im Jahr 2000 auf 1 698 im Jahr 2009 verringert, und nicht erhöht hat. Reinhard Grindel zweifelt diese Zahlen an. Er glaubt, dass die Dunkelziffer weitaus höher ist und deswegen Handlungsbedarf besteht um einer unkontrollierten Zuwanderung vorzubeugen.