Münster.

Als sich der staatliche Lebensmittelwächter Axel Preuß und NRW-Umwelt­minister Johannes Remmel (Grüne) 2010 erstmals trafen, gingen sie mit guten Wünschen auseinander: „Hoffen wir nicht, dass wir uns wegen eines Skandals wiedersehen.“ Gestern gab es ein Wieder­sehen, und der Wunsch ging nicht in Erfüllung. Der Skandal ist da, dessen Ausmaß erst in Ansätzen sichtbar wird.

Alle reden vom Dioxin in Eiern. Doch wie viele Eier ­verseucht sind und schon verkauft wurden, weiß derzeit so genau keiner. Auch nicht, ob das Gift womöglich auch in Schweinefleisch, in Suppenhühnern oder Nudeln steckt.

Axel Preuß will in den nächsten Tagen neue Fakten liefern. Er leitet das Chemische und Veterinärunter­suchungsamt (CVUA) in Münster, die einzige Behörde in NRW, die Lebensmittel in großem Stil auf Dioxin überprüfen kann. Auf die 240 ­Mitarbeiter dürfte noch viel Arbeit zukommen.

Lieferlisten ausgewertet

Denn nun steht fest, dass in NRW nicht nur mindestens 14 Höfe mit giftigen Produkten beliefert wurden, sondern auch drei Futtermittel-Her­steller an der nördlichen Landesgrenze. Das geht aus den Lieferlisten der Firma Harles & Jentzsch aus Schleswig-Holstein hervor, die dioxinhaltige Industrie- mit harmlosen ­Futterfetten mischte und diese bundesweit verkaufte. Frühestens Ende der Woche können die Umweltbehörden klären, wie viele Betriebe in NRW betroffen sind. Heute schon will das CVUA einige aktuelle Untersuchungsergebnisse vorstellen. Es geht um zwei Legehennen- und einen Putenmast-Betrieb aus Westfalen.

Axel Preuß, der Amtsleiter, bemüht sich, die Verbraucher zu beruhigen. Er glaube nicht, dass schon seit Monaten oder gar Jahren größere Mengen Dioxin unbemerkt in unsere Nahrung gelangt seien. „Es handelt sich um eine neue, punktuelle Verunreinigung“, sagt Preuß. Diese spezielle Gift-Fett-Mischung wäre bei den normalen, routinemäßigen Kontrollen der Behörde auf jeden Fall aufgefallen.

Obskure Wege

Der Lebensmittel-Wächter aus Münster will den Fall aber nicht kleiner machen, als er ist. Die Kennzeichnungs-Pflicht von Eiern habe sich zwar bewährt und gebe den Bürgern Sicherheit: „Der Weg vom Bauernhof zum Kunden ist gut nachvollziehbar.“ Doch kaum einer wisse, auf welch ­obskuren Wegen zuvor die Bestandteile des Tierfutters zueinander fanden.

Der grüne NRW-Umwelt- und Landwirtschaftsminister sieht sich und seine Öko-Philosophie durch den Skandal bestätigt. Was auf unseren ­Tellern landet, sollte möglichst aus der Region und aus biologischer Produktion stammen. „Es darf doch nicht sein, dass ein einziger Betrieb in Schleswig-Holstein eine Verunreinigung von Lebensmitteln in ganz Deutschland auslöst“, wettert Johannes Remmel.

Zu viele Lücken

Auch die Vorstellung, dass in einer Firma Industrie- und Lebensmittel-Fette verarbeitet werden, behagt ihm nicht. Remmel will seine Kollegen in den anderen Ländern auf­fordern, die Kontrollen von Futtermittel-Herstellern zu verbessern. Die Über­wachungskette habe zu viele Lücken, sagt er. Der Minister fordert strengere Haftungs­regeln für Tierfutter-Produzenten. Sie müssten beispielsweise spezielle Haftpflichtversicherungen abschließen oder höhere Summen hinterlegen – für den Fall des Falles.

NRW betont, schnell auf den Dioxinskandal reagiert zu haben, schneller als Niedersachsen. Dennoch drängt sich die Frage auf, warum die Nachbarn gleich 1000 Höfe schließen ließen und NRW zunächst nur 14. Peter Knitsch vom Umweltministerium da-zu: „Die meisten Futtermittel-Hersteller, die die giftige Ware bekamen, sind in Niedersachsen ansässig und haben vor allem dortige Höfe beliefert.“