Kairo. .

Nach dem Anschlag auf eine Kirche in Alexandria mit 21 Todesopfern ist es zu Ausschreitungen gekommen: Christen liefern sich Straßenschlachten mit der Polizei in Ägypten. Ein Gouverneur gibt Al-Kaida die Schuld für die Bombe.

Nach einem Bombenanschlag auf eine Kirche in Alexandria mit 21 Todesopfern haben sich ägyptische Christen Straßenschlachten mit der Polizei geliefert. Mehrere hundert zumeist junge Männer warfen in der Umgebung der Kirche Steine und Flaschen auf die Polizei. Die Beamten reagierten mit Gummigeschossen und Tränengas. In der Silvesternacht war ein Sprengsatz detoniert, als die Christen gerade die Kirche verließen. Wahrscheinlich handelte es sich um einen Selbstmordanschlag.

Einige der Demonstranten schlugen muslimische Passanten nieder. Bereits kurz nach dem Anschlag stürmten koptische Christen in eine nahegelegene Moschee und warfen Bücher auf die Straße. Zu der Tat bekannte sich niemand. Das Innenministerium sprach von einem Selbstmordanschlag und erklärte, wahrscheinlich seien „ausländische Elemente“ beteiligt gewesen. Der Gouverneur von Alexandria, Adel Labib, gab umgehend dem Terrornetzwerk Al-Kaida die Schuld. Die Ermittler untersuchten laut einem Bericht der amtlichen Nachrichtenagentur MENA zwei abgetrennte Köpfe, die vor der Kirche gefunden wurden.

Bisher hat die ägyptische Regierung stets erklärt, die Al-Kaida sei im Land nicht nennenswert aktiv. Das Terrornetzwerk wurde auch nie mit Anschlägen in Ägypten in Verbindung gebracht. Allerdings hat Al-Kaida im Irak wiederholt Drohungen gegen Christen ausgestoßen. Deshalb sagten die christlichen Gemeinden im Irak die meisten Weihnachtsfeierlichkeiten ab. Im Oktober hatte die Al-Kaida eine christliche Kirche in Bagdad überfallen und 68 Menschen getötet. Sie brachte die Tat mit zwei koptischen Christinnen in Ägypten in Verbindung, die angeblich zum Islam übergetreten sind, um sich von ihren Ehemännern scheiden zu lassen. Extremisten werfen der Kirche vor, die Frauen gefangen zu halten. Die Kirche hat das zurückgewiesen.

Zulauf für Fundamentalisten

In Ägypten haben Fundamentalisten immer mehr Zulauf. Diese rufen zwar nicht zur gewaltsamen Durchsetzung ihrer Ziele auf, folgen jedoch einer Ideologie ähnlich der von Al-Kaida. Es gibt Befürchtungen, diese Gruppen könnten sich inmitten der religiösen Spannungen weiter radikalisieren.

Bundesaußenminister Guido Westerwelle verurteilte den Anschlag in Alexandria. Er sprach am Samstag in Berlin von einem „Akt der Brutalität gegen Menschen, die mit einer Messe friedlich das neue Jahr begehen wollten“. Das zynische Vorgehen der Attentäter zeige, „wie notwendig es ist, entschlossen gegen Terrorismus und religiöse Intoleranz vorzugehen.“ US-Präsident Barack Obama forderte, die Verantwortlichen müssten für „diese barbarische und abscheuliche Tat“ zur Rechenschaft gezogen werden. Die Täter hätten keinen Respekt vor Menschenleben oder -würde, teilte Obama in einer Stellungnahme mit.

Trauermärsche von Christen und Muslimen

Die muslimischen Führer in Ägypten sprachen den Christen ihr Beileid aus. Die größte Oppositionsgruppe, die verbotene Muslimbruderschaft, verurteilte den Anschlag. Zahlreiche Christen und Muslime kamen zu Trauermärschen in der Nähe der Kirche und auch in der Hauptstadt Kairo zusammen. Am Sonntag war die Kirche unter strengem Polizeischutz wieder geöffnet. Eine Messe gab es nicht. Die meisten Gläubigen kamen ganz in Schwarz gekleidet, weinten und warfen der Regierung vor, Christen nicht ausreichend zu schützen.

Der ägyptische Präsident Husni Mubarak versicherte, die Täter würden gefasst. „Wir werden die Hände der Terroristen abschneiden“, kündigte er an. „Dieser terroristische Akt hat das Gewissen des ganzen Landes erschüttert.“ Ganz Ägypten sei Ziel gewesen, „der Terrorismus unterscheidet nicht zwischen Kopten und Muslimen“. Es war der schwerste Anschlag auf Christen in Ägypten seit 1999.

Zweifel an Ermittlungen

Fast 1.000 Menschen hätten an der Messe teilgenommen, sagte der koptische Priester Mena Adel. Nach dem Gottesdienst seien die Besucher auf die Straße geströmt. „Ich war drinnen und habe eine starke Explosion gehört“, sagte der Geistliche. „Menschen standen in Flammen.“ Augenzeugen berichteten, vor der Kirche hätten Leichen gelegen.

Die Polizei erklärte zunächst, der Sprengstoff sei offenbar in einem geparkten Auto vor der Kirche versteckt gewesen. Das Innenministerium erklärte jedoch später, wahrscheinlich habe ein Selbstmordattentäter den Anschlag verübt.

In der christlichen Gemeinde wurden rasch Zweifel an den Ermittlungen laut. Erzbischof Arweis sagte, die Polizei wolle einem Selbstmordattentäter die Schuld geben. So könne sie den Anschlag einem Einzeltäter zuschreiben. Er kritisierte zudem den mangelnden Schutz durch die Behörden. „Vor der Kirche standen nur drei Soldaten und ein Polizist“, sagte er. „Warum gab es so geringe Sicherheitsvorkehrungen in einer Zeit, in der die Al-Kaida so viele Drohungen ausspricht?“*

Christen, die meisten von ihnen orthodoxe Kopten, machen etwa zehn Prozent der ägyptischen Bevölkerung aus. Sie klagen immer wieder über Diskriminierung. Gelegentlich kommt es auch zu Anschlägen. So wurden im Januar 2009 sieben Christen vor einer Kirche in Südägypten aus einem fahrenden Auto heraus erschossen.

Weltweit Empörung über Anschlag auf koptische Christen in Ägypten

US-Präsident Barack Obama, Bundesaußenminister Guido Westerwelle (FDP) sowie die israelische und die palästinensische Führung verurteilten das in der Silvesternacht verübte Attentat. Aus Wut über die Tat lieferten sich junge koptische Christen gewalttätige Auseinandersetzungen mit Sicherheitskräften.

„Die Täter dieses Angriffs zielten klar auf christliche Gläubige ab und haben keinen Respekt für menschliches Leben und menschliche Würde,“ erklärte Obama am Samstag im US-Bundesstaat Hawaii.

Der Anschlag vor einer Kirche in der Küstenstadt Alexandria war nach Behördenangaben wahrscheinlich von einem Selbstmordattentäter verübt worden. Zu der Tat, bei der 21 Menschen getötet und 79 weitere verletzt wurden, bekannte sich zunächst niemand. Vor zwei Monaten hatte ein irakischer Arm des Terrornetzwerks El Kaida den ägyptischen Kopten mit Gewalt gedroht. Ägyptens Staatschef Husni Mubarak sprach in einer Fernsehansprache von einer Verwicklung ausländischer Kräfte in die Tat und verurteilte den Anschlag als „unerträglichen kriminellen Akt, der auf die Nation - Kopten und Muslime - abzielt“.

Bundesaußenminister Westerwelle erklärte, er verurteile „diesen Akt der Brutalität“. „Das zynische Vorgehen der Attentäter zeigt, wie notwendig es ist, entschlossen gegen Terrorismus und religiöse Intoleranz vorzugehen“, fügte er hinzu. EU-Außenministerin Catherine Ashton erklärte in Brüssel, es gebe „keinerlei Rechtfertigung für diesen Angriff“.

Der israelische Ministerpräsident Benjamin Netanjahu rief Mubarak an, um ihm sein Mitgefühl auszudrücken. Er habe seine Überzeugung ausgedrückt, dass „alle freiheitsliebenden Nationen eine gemeinsame Front gegen den Terrorismus bilden“, teilte Netanjahus Büro mit.

„Unmenschlicher krimineller Akt“

Palästinenserpräsident Mahmud Abbas sprach von einem „unmenschlichen kriminellen Akt, der darauf abzielt, unser Bruderland Ägypten zu destabilisieren und Zwietracht zwischen Muslimen und Christen zu säen“. Ähnlich äußerte sich die im Gazastreifen herrschende radikalislamische Hamas in einer Erklärung. Auch das türkische und das iranische Außenministerium verurteilten den Anschlag.

Papst Benedikt XVI. rief die Regierungen weltweit auf, Christen mit „konkretem und dauerhaftem Engagement“ und nicht nur mit Worten vor Diskriminierung und religiöser Intoleranz zu schützen. Er appellierte bei der Neujahrsmesse im Petersdom in Rom an alle Menschen, angesichts der Gewalt nicht zu resignieren.

An der Zeremonie zur Beisetzung der Anschlagsopfer im Kloster Marmina in King Mariut, einem Vorort von Alexandria, nahmen am Samstagabend mindestens 5000 Trauernde teil, wie ein AFP-Reporter berichtete. Mit wütenden „Nein, nein, nein“-Rufen unterbrach die Menge den Sekretär von Kopten-Patriarch Schenuda III., Bischof Juanes, als er das Beileid von Staatschef Mubarak übermitteln wollte.

Den ganzen Samstag über hatten sich junge koptische Christen und Sicherheitskräfte gewaltsame Auseinandersetzungen geliefert. Hunderte wütende Demonstranten formierten sich in kleinen Gruppen und schleuderten Steine sowie Flaschen gegen die um den Anschlagsort postierten Sicherheitskräfte, wie eine AFP-Reporterin berichtete. Die Sicherheitskräfte schossen mit Tränengas und Gummigeschossen. (afp/dapd)