Berlin. Am Wochenende fällt die Entscheidung über den Sitz der internationalen Agentur für erneuerbare Energien, IRENA. Auch Bonn ist im Rennen. Im Interview spricht Umweltminister Sigmar Gabriel (SPD) nicht nur über IRENA, sondern auch über Kanzlerin Merkel und die Lagerung des Klimakillers CO2.
Am Wochenende fällt in Ägypten die Entscheidung über den Sitz der internationalen Agentur für erneuerbare Energien, IRENA. Beste Aussichten haben Bonn und Abu Dhabi. Die WAZ-Gruppe sprach mit Umweltminister Sigmar Gabriel (SPD) über IRENA und über ein anderes innenpolitisches Thema: Das CCS-Gesetz, das Verdichtung, Transport und Lagerung des Klimakillers CO2 erlauben soll – und damit eine neue Generation sauberer Kohlekraftwerke.
Herr Gabriel, droht beim Strom eine Versorgungslücke, wie es in der Energiewirtschaft heißt?
Sigmar Gabriel: Nein. Aber wir haben eine Effizienzlücke, und die Union tut nichts, um die zu schließen. Wirtschaftsminister zu Guttenberg hat ein Gesetz zur Förderung von Energieeinsparung und -effizienz verhindert. Jetzt droht uns eine Klage der EU, weil wir die entsprechende Richtlinie nicht fristgerecht umsetzen.
Sie kriegen auch kein Gesetz hin, das Abscheidung, Transport und Lagerung von CO2 aus Kohlekraftwerken regelt. Ist dieses CCS-Gesetz vor der Wahl noch möglich?
Gabriel: Das Kabinett hat einen Gesetzentwurf beschlossen. Die SPD ist bereit, ihm sofort im Parlament zuzustimmen. Aber die Kanzlerin traut sich nicht, ihren Laden zur Ordnung zu rufen. Das hätte ich von ihr erwartet. Die CDU/CSU-Fraktion demontiert ihre eigene Kanzlerin, und die macht gute Miene zum bösen Spiel.
Können Sie sich auf Merkel nicht verlassen?
Gabriel: Auf die Kanzlerin ist in der Energiepolitik kein Verlass. Sie ist mal für CCS, mal dagegen, mal sagt sie vielleicht. Sie ist für mehr Energieeffizienz, aber nimmt hin, wenn ihr Wirtschaftsminister ein entsprechendes Gesetz verhindert. Ganz offensichtlich hat die Kanzlerin in der Energiepolitik jeden Rückhalt in ihrer Partei verloren.
"Da sind Chaoten am Werk"
Was soll das Drama? Dann kommt das CCS-Gesetz halt später.
Gabriel: Aber so kann man doch ein Industrieland nicht modernisieren. Was sich die Union leistet, ist ein Stück aus dem Tollhaus. Da sind Chaoten am Werk. Wer verhindert, dass bei dieser Technik vernünftige Sicherheitsstandards, Bürgerbeteiligung und Betreiberhaftung gelten, handelt verantwortungslos und feige.
Haben Sie schon mal daran gedacht, dass Menschen die Vorstellung nicht behagt, dass unter ihrem Garten eine CO2-Pipeline läuft?
Gabriel: Wir sitzen auf großen Erdgasspeichern. Quer durchs Land gehen Kohlenmonoxyd-Leitungen und andere Chemie-Röhren. Darüber sorgt sich kein Mensch, obwohl das alles weitaus gefährlicher ist als eine CO2-Pipeline auf dem modernsten Stand der Wissenschaft.
In wenigen Tagen fällt die Entscheidung über den Sitz der internationalen Agentur für Erneuerbare Energien. Wie ist Ihre Prognose?
Gabriel: Ich wage keine. Das Rennen ist völlig offen.
Abu Dhabi hat starke Argumente im Vergleich mit Bonn: 22 Millionen Dollar für die Agentur, noch mehr Geld für die Entwicklungsländer. Können Sie da mithalten?
Gabriel: Wollen wir über Geld reden oder über Wissen?
Bleiben wir doch einmal beim Geld.
Gabriel: Deutschland wird allein 2009 über eine Milliarde Euro in die Zusammenarbeit mit Entwicklungsländern in Energieprojekten investieren. IRENA ist eine deutsche Idee und Initiative. Auch in den internationalen Prozessen haben wir eine gewichtige Stimme, die den Entwicklungsländern zu Gute kommt. Wir haben auch die größten Erfahrungen mit den erneuerbaren Energien. Bonn ist einfach der beste Standort für die Agentur.
IRENA ist auch ein Erfolg Ihres Parteifreundes Hermann Scheer. Was ist Ihnen wichtiger, der Sitz oder der Vorsitz?
Gabriel: Einen Sitz hat man auf Dauer, den Vorsitz nicht.
Und wenn es nicht klappt, bekommen Sie als Trostpreis den Vorsitz für Herrn Scheer?
Gabriel: Nein, Deutschland bewirbt sich um den Sitz des Sekretariats.