Düsseldorf. Wochenlang wurde über Migration und AfD gestritten. Dabei gingen im Bundestagswahlkampf diese fünf für NRW zentralen Themen unter.

Der kurze Winterwahlkampf schien nur aus einem einzigen Thema zu bestehen: Wie soll Deutschland die illegale Migration stoppen und wie hält man es mit der AfD? Doch aus NRW-Sicht gibt es zahlreiche andere Politikbereiche, die von einer neuen Bundesregierung dringend angegangen werden müssen. Das sind die Top 5 der vergessenen Themen:

Kohleausstieg

1. Kohleausstieg: Der von CDU und Grünen in NRW versprochene Ausstieg aus der Braunkohleverstromung im Jahr 2030 ist mutmaßlich nicht zu halten. Es fehlen Reservekraftwerke, die verlässlich Strom liefern, wenn die Sonne mal nicht scheint und kein Wind weht. Eine angekündigte „Kraftwerksstrategie“ von Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck (Grünen) mit entsprechenden Ausschreibungen, die Investoren hohe Subventionen für den Bau und stundenweisen Betrieb moderner, flexibler und wasserstofffähiger Gaskraftwerke rechtsverbindlich zusichern, liegt nicht vor.

Um den Braunkohleausstieg zumindest bis 2033 zu retten, müsste eine neue Bundesregierung schnell gesicherte und flexible Kraftwerksleistung bestellen. Möglicherweise wird das ohnehin unrealistische Ziel, binnen weniger Jahren neue wasserstofffähige Gaskraftwerke zu bauen, aufgegeben. Stattdessen könnten die Einsatzstunden konventioneller Kraftwerke für wind- und sonnenarme Zeiten subventioniert werden. Sonst wird es wohl nichts mit einem schnellen Braunkohle-Aus. Droht da Zwist in der schwarz-grünen Koalition?

Schuldenbremse

2. Schuldenbremse: Lange sperrte sich die CDU auf Bundesebene gegen eine Reform der Schuldenbremse. Zuletzt klang Unions-Kanzlerkandidat Friedrich Merz jedoch deutlich kompromissbereiter. Jeder weiß, dass Milliarden-Investitionen in Verteidigung, Infrastruktur und Digitalisierung nach drei Jahren Rezession nicht im laufenden Haushalt weggespart werden können. NRW-Ministerpräsident Hendrik Wüst (CDU) dürfte deshalb seinem Parteifreund Merz schnell klarmachen, dass zumindest die Schuldenregeln für die Länder reformiert gehören. Denkbar wäre, dass die Länder künftig trotz Schuldenbremse Kredite in Höhe von 0,15 des Bruttoinlandsprodukts (BIP) aufnehmen können. Bislang darf sich nur der Bund im Rahmen der Schuldenbremse 0,35 Prozent des BIP leihen. Den Ländern bliebt nur eine enge „Konjunkturkomponente“ als schmaler Notausgang in Krisen. Fraglich nur, ob Wüst und Merz im neuen Bundestag und im Bundesrat noch eine verfassungsändernde Zwei-Drittel-Mehrheit finden.

Kommunale Altschulden

3. Kommunale Altschulden: Die NRW-Kommunen warten seit Jahren auf die versprochene Altschuldenhilfe. NRW stellt ihnen aus dem Landesetat über die nächsten 30 Jahre immerhin 250 Millionen Euro pro Jahr extra zur Verfügung, um erdrückende Kassenkredite abzutragen. Doch ohne eine Bundesbeteiligung in gleicher Höhe bleibt es ein Tropfen auf dem heißen Stein. NRW und die neue Bundesregierung müssen schnell einen neuen Anlauf unternehmen, eine verfassungsändernde Mehrheit für eine wirksame Altschuldenhilfe zu organisieren. Da aber nirgendwo das Kassenkredit-Problem so sehr drückt wie an Rhein und Ruhr, dürfte das schwierig werden. Warum sollten Bundesländer, die ihre Kommunen auskömmlich ausstatten, für Bundeshilfen stimmen, die zu großen Teilen ehr nur nach NRW fließen?

Parallel müssen die Sozialkosten der Städte gesenkt werden. Vor allem das Ruhrgebiet ächzt unter einer hohen Zahl an Bürgergeld-Empfängern. Eine umfassende Sozialstaatsreform, die den Anreiz zur Arbeitsaufnahme erhöht, Nachqualifizierungen verbessert, Missbrauch eindämmt und Allgemeinwohltätigkeit wieder zur Regel macht, dürfte deshalb im Sinne der Landesregierung sein. Unklar ist auch, wie lange noch Flüchtlinge aus der Ukraine direkt in den Bürgergeld-Bezug genommen werden. Wirkliche Entlastung ist für die Kommunen aber wohl erst in Sicht, wenn die Konjunktur wieder anspringt und weniger Menschen arbeitslos gemeldet sind.

Innere Sicherheit

4. Sicherheitsgesetze: NRW wird bei den Koalitionsverhandlungen auf eine Erweiterung der Befugnisse für die Sicherheitsbehörden drängen. Als Lehre aus dem islamistischen Anschlag von Solingen hatte sich Schwarz-Grün 2024 auf eine Verschärfung von Sicherheitsgesetzen verständigt. NRW-Innenminister Herbert Reul (CDU) konnte sogar die Innenministerkonferenz hinter zentralen Vorschlägen versammeln. Nur: Passiert ist vor der Wahl nichts mehr. Konkret geht es vor allem um die seit Jahren umkämpfte Vorratsdatenspeicherung. Telekommunikationsanbieter sollen verpflichtet werden, Verbindungsdaten für eine bestimmte Dauer zu archivieren. Ermittler könnten dann nach Genehmigung eines Richters im Verbrechensfall oder bei Gefahr im Verzug endlich nachvollziehen, wer mit wem was in Chats kommuniziert hat.

Wärmewende

5. Heizungsgesetz: Das umstrittene Habeck-Gesetz verpflichtet die NRW-Kommunen zu einer „Wärmeplanung“. Großstädte müssen ab Mitte 2026 und kleinere Kommunen ab Mitte 2028 festlegen, in welchem Stadtbezirk welche CO2-arme Heizungsart für Hauseigentümer im Falle eines Anlagenaustausches perspektivisch angezeigt sein wird – zum Beispiel Fernwärme oder eine Wärmepumpe. Für die Städte stellt sich derweil die Frage, was mit ihrem teuren Gasnetz geschehen soll. NRW braucht hier dringend Planungssicherheit. Die Union hat einen radikalen Kurswechsel weg von dem grünen Prestigeprojekt und hin zu einem „marktwirtschaftlichen Klima- und Umweltschutz“ angekündigt. Ebenso wichtig für NRW: Einnahmen aus der CO2-Bepreisung sollen zur Senkung der Stromsteuer und der Netzentgelte genutzt werden, damit Energie insbesondere für Unternehmen wieder erschwinglicher wird.