Berlin. Wer straffällig gewordene Flüchtlinge loswerden will, muss den Dialog mit den islamistischen Herrschern in Afghanistan suchen.
Seit dreieinhalb Jahren wird in Afghanistan ein Exempel statuiert. Das Land am Hindukusch, in dem sich der Westen zwanzig Jahre lang vergeblich bemühte, belastbare staatliche Strukturen aufzubauen und die Demokratie zu installieren, wird mit Sanktionen und dem Entzug von Entwicklungshilfe bestraft, weil es nun von Islamisten beherrscht wird.
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Kein Vertun: Die Taliban haben die Rechte von Frauen und Mädchen auf eine Art und Weise eingeschränkt, die skandalös ist. Eine Außenpolitik, die deswegen jeden Dialog mit den Islamisten verweigert, schüttet aber das Kind mit dem Bade aus. Unter den Sanktionen und dem Entzug von Unterstützung leiden vor allem diejenigen, für deren Rechte man angeblich eintritt.
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Es war ein Fehler, nicht mit den Taliban zu reden und Afghanistan in den geopolitischen Schatten zu stellen. Unter den Isolationsbedingungen haben die Hardliner Oberwasser bekommen, die menschenrechtliche Situation für Frauen und Mädchen ist Jahr für Jahr schlechter geworden. Gleichzeitig steigt angesichts der katastrophalen Wirtschaftslage der Fluchtdruck. Zudem ist die afghanische Filiale des „Islamischen Staates“ (IS) eine Gefahr auch für Europa.
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Die Taliban orchestrieren keine Anschläge im Ausland. Der IS schon. Dass erst innenpolitischer Druck und die Angst vor einem Rechtsruck im Land die deutsche Politik zum Umdenken gezwungen hat, ist bedauerlich, zeugt es doch von außenpolitischer Kurzsichtigkeit. Aber immerhin bewegt sich etwas. Gespräche mit den Taliban dürfen aber nicht nur das Ziel haben, straffällig gewordene Flüchtlinge loszuwerden – sie müssen vor allem darauf abzielen, die Lebenssituation der Menschen in Afghanistan zu verbessern.