Berlin. Lokale Behörden sollen Baustellen überwachen. Es könne zu „obszönen Handlungen führen“, wenn man Frauen bei der Arbeit sieht, heißt es.

Die Situation für Frauen und Mädchen in Afghanistan hat sich mit der Machtübernahme der Taliban im August 2021 massiv verschlechtert. Jetzt sollen sie nicht mehr nur unter der Burka, sondern auch hinter Mauern verschwinden. Laut einer Mitteilung der Taliban-Regierung müssen neue Gebäude künftig ohne Fenster gebaut werden, durch die man aus der Nähe „den Hof, die Küche, den Brunnen der Nachbarn und andere Orte, die üblicherweise von Frauen genutzt werden“, sehen kann: „Es kann zu obszönen Handlungen führen, wenn man Frauen sieht, die in Küchen, in Höfen arbeiten oder Wasser aus Brunnen holen“, heißt es in der Ankündigung.

Die neue Vorschrift wurde von Taliban-Führer Hibatullah Achundsada in einem Dekret erlassen, wie Regierungssprecher Sabihullah Mudschahid auf der Online-Plattform X in Arabisch, Dari und Paschtu veröffentlichte. Die zuständigen Behörden müssen die Baustellen überwachen, um sicherzustellen, dass die neuen Vorschriften eingehalten werden. „Um Belästigungen der Nachbarn zu vermeiden“, soll bei bestehenden Mauern die Sicht möglichst durch eine Mauer versperrt werden.

Frauen und Mädchen verschwinden in Afghanistan zunehmend aus der Öffentlichkeit.
Frauen und Mädchen verschwinden in Afghanistan zunehmend aus der Öffentlichkeit. © AFP | Sanaullah Seiam

Die UN sprechen in Afghanistan schon von „Gender-Apartheid“.

Die Vereinten Nationen sprechen in Afghanistan bereits von „Gender-Apartheid“. Afghaninnen dürfen nur noch die Grundschule besuchen. Die international nicht anerkannte Regierung hatte zunächst angekündigt, dies sei eine „vorübergehende Aussetzung“ ,bis ein sicheres Umfeld für den Schulbesuch der Mädchen geschaffen sei. Doch seitdem hat sich nichts getan. Ein kürzlich erlassenes Gesetz verbietet Frauen zudem das Singen oder das Vortragen von Poesie.

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Die UN-Mission in Afghanistan (Unama) hatte erst Mitte Dezember auf die dramatische Situation von Frauen und Mädchen aufmerksam gemacht. „Trotz der verbesserten Sicherheitslage und des Rückgangs der bewaffneten Gewalt kommt es zu einer anhaltenden, gefährlichen Aushöhlung des Menschenrechtsschutzes, wobei Frauen und Mädchen die Hauptlast zu tragen haben“, sagt Unama-Chefin Rosa Otunbajewa. So dürfen Frauen und Mädchen keine weiterführenden Schulen oder Universitäten besuchen. Selbst an medizinischen Einrichtungen dürfen sie nicht mehr ausgebildet werden.

WHO: Nur zehn Prozent der Afghaninnen haben Zugang zu medizinischer Grundversorgung

Nach Angaben der Weltgesundheitsorganisation (WHO) haben bereits jetzt nur zehn Prozent der Frauen in Afghanistan Zugang zu medizinischer Grundversorgung. Die Müttersterblichkeit gehört demnach zu den höchsten der Welt. Im Dezember wurde den Frauen trotzdem auch die Ausbildung zur Hebamme verboten.

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Innerhalb der Taliban-Führung gibt es unterschiedliche Fraktionen. Manchen gehen angeblich die radikalen Erlasse des obersten Führers Hibatullah Achundsada und seines Zirkels in Kandahar zu weit. So kritisierten einige Taliban-Führer das Verbot des Universitätsbesuchs für Frauen. Auch über die jüngsten Maßnahmen war es offenbar zum Streit innerhalb der Taliban-Führung gekommen, die auf Spannungen zwischen Hardlinern und „Pragmatikern“ hindeuteten. Die neuen drakonischen Dekrete gelten als ein weiterer Hinweis darauf, dass der in Kandahar residierende Führer Achundsada seine Macht ausbaut und seinen ultrakonservativen Kurs durchsetzt, der auf einer frühislamischen Auslegung der Scharia und jahrhundertealten Stammestraditionen beruht. (mit afp)

Afghanische Frauen in Kandahar.
Afghanische Frauen in Kandahar. © AFP | Sanaullah Seiam