Berlin. Zum 80. Mal jährt sich der Luftangriff auf Dresden. Rechtsextreme versuchen das Gedenken zu instrumentalisieren. Doch es gibt Widerstand.
Rechtsradikale in ganz Europa machen sich in diesen Tagen auf nach Dresden. Am Donnerstag jährt sich zum 80. Mal der Luftangriff auf die Elbestadt, der verheerendste des ganzen Zweiten Weltkriegs in Europa. Neonazis missbrauchen den Gedenktag seit Jahren, um die Verbrechen der Nationalsozialisten zu relativieren und Geschichtsklitterung zu betreiben. Die Behörden erwarten bis zum Wochenende tausende Anhänger rechtsradikaler Gruppen in der Stadt, die sich dort zu einem sogenannten Trauermarsch formieren wollen.
Dagegen mobilisieren linke Gruppierungen, die zu Protesten aufrufen. Angesichts der ohnehin aufgeheizten politischen Stimmung kurz vor der Bundestagswahl rechnen die Sicherheitskräfte mit einem erheblichen Konfliktpotenzial in der Stadt, in der es schon an den vergangenen Gedenktagen Auseinandersetzungen zwischen verschiedenen Demonstranten gab.
Bombardierung von Dresden: Bis zu 25.000 Menschen kamen bei Angriff 1945 ums Leben
In der Nacht vom 13. auf den 14. Februar 1945 warfen über 700 britische Bomber in zwei Angriffswellen erst gewaltige Mengen an Sprengbomben auf Dresden ab. Durch die Zerstörung der Dächer und Fenster konnten die anschließend abgeworfenen Brandbomben eine noch größere Wirkung entfalten. Ihr Feuersturm zerstörte rund 80.000 Wohnungen und ihre Hitzeeinwirkung deformierte sämtliches Glas in der Innenstadt. Dem britischen Nachtangriff auf die ungeschützte Stadt folgte am Tag die Flächenbombardierung durch 311 amerikanische Bomber. Insgesamt kamen bis zu 25.000 Menschen an den beiden Tagen ums Leben.
Bis August 1944 war Dresden als beinah einzige deutsche Großstadt weitgehend von alliierten Bombenangriffen verschont geblieben und auch zu Jahresbeginn 1945 noch nahezu unbeschädigt, obwohl es einen wichtigen Verkehrsknotenpunkt zwischen Prag, Berlin, Leipzig, Nürnberg und Warschau darstellte. Die Zerstörung Dresdens war der Höhepunkt gezielter Flächenbombardements der Alliierten gegen die deutsche Zivilbevölkerung, um deren Moral zu brechen. Militärisch ging es darum, die angestrebte bedingungslose Kapitulation der Deutschen nach vier Kriegsjahren so schnell wie möglich zu erreichen.
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Erfundene Opferzahlen: Damals von Hitler in den Nazimedien – heute von AFD-Chrupalla
Hitler und seine Helfer nutzten die Bombardierung derweil, um noch stärker an den Durchhaltewillen der Bevölkerung zu appellieren. Josef Goebbels Propagandaministerium lancierte eine Pressekampagne, die das Bild einer zu Unrecht angegriffenen, friedliebenden Kunstmetropole und ihrer unschuldigen Zivilbevölkerung zeichnen sollte. Die Rede war von einem Verbrechen kulturloser anglo-amerikanischer Barbaren, die sich „am Kulturbesitz der Welt versündigt“ hätten. Antisemitische Feindbilder bildeten einen weiteren roten Faden: die Bombardierungen zeigten „die wahre Fratze des immer vernichtenden und mordenden Juden“. Es handele sich um Terrorangriffe, deren Folgen mit erfundenen Opferzahlen von über 200.000 Toten in den Nazimedien weit übertrieben wurden. Dazu hätte amerikanische Tiefflieger Jagd auf flüchtende Menschen gemacht.
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Es sind diese Legenden, an denen Neonazis, Rechtsextreme und auch zum Teil AfD-Politiker heute anknüpfen. So sprach der AfD-Co-Vorsitzende Tino Chrupalla noch 2020 von hunderttausend Opfern, obwohl eine von der Stadt Dresden eingesetzte Historikerkommission 2010 zu dem Ergebnis kam, dass maximal 25.000 Menschen bei den Angriffen getötet wurden.
Heute würde die Bombardierung Dresdens wohl als Kriegsverbrechen gelten
Diese Zahl ist seither unter seriösen Fachleuten international weitgehend unbestritten. Gleiches gilt für das lange Zeit, auch in der DDR noch, verbreitete Erzählbild eines Blutbads, das alliierte Luftflieger unter den aus der Stadt flüchtenden Menschen angerichtet hätten. Dafür gebe es nicht den geringsten Beleg, stellte die Kommission fest. Die Legenden über die besondere Grausamkeit der „anglo-amerikanischen Terrorbomber“ konnten sich besonders in der DDR auch deshalb halten, weil sie in das Erzählmuster des Kalten Krieges zwischen den einstigen West-Alliierten und der Sowjetunion passten.
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Gleichwohl würde die Bombardierung Dresdens nach dem heute geltenden Völkerrecht wohl als Kriegsverbrechen gegen die Zivilbevölkerung gewertet werden, wie derzeit die Bombardements in der Ukraine und im Gazastreifen. Damals hielten die Alliierten die Bombenangriffe aber für moralisch gerechtfertigt, wenn sie den Krieg früher beendeten. Darüber, ob das wirklich der Fall war, streiten Militärhistoriker bis heute.
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Rechtsextremisten versuchen Bombardierung im Sinne ihrer Ideologie zu vereinnahmen
Nach Überzeugung des sächsischen Verfassungsschutzes verfolgen Rechtsextremisten das Ziel, das Gedenken an die Bombardierung im Sinne ihrer Ideologie zu vereinnahmen. „In geschichtsrevisionistischer Lesart werden dabei die deutschen Opfer des Bombenangriffs besonders hervorgehoben und eine übertriebene Zahl an Todesopfern angegeben“, erklärte Verfassungsschutzpräsident Dirk-Martin Christian. „Auf diese Weise pflegt die rechtsextremistische Szene ihr Narrativ des ‚Bombenholocausts‘, das im Sinne einer Täter-Opfer-Umkehr der Relativierung des nationalsozialistischen Holocausts dient.“ Das Dresden-Gedenken sei zu einem Pflichttermin für Rechtsradikale in ganz Deutschland und darüber hinaus geworden, so Christian.
In Dresden formiert sich seit Jahren Widerstand gegen diese Vereinnahmung des Gedenkens durch die Rechtsextremisten. Regelmäßig bilden tausende Bürger eine Menschenkette um die Innenstadt, um die rechten Demonstranten dort fernzuhalten. Allerdings gibt es auch Kritik an dieser Aktion, die zu einem bloßen Ritual verkommen sei, wie linke Aktivisten kritisieren.
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