Berlin. Im Podcast „Meine schwerste Entscheidung“ spricht der SPD-Chef über seinen Soldatenvater, das Sterben im Krieg und Boris Pistorius.
SPD-Chef Lars Klingbeil kann sich vorstellen, Deutschland mit der Waffe zu verteidigen. Er habe kein Land kennengelernt, in dem er lieber leben würde als in Deutschland. Wenn dieses Land und seine Familie unter Druck geraten würden, dann wäre er natürlich dabei, „das alles zu verteidigen“, sagte Klingbeil im Podcast „Meine schwerste Entscheidung“. Seine Aufgabe als Politiker sei aber, alles dafür zu tun, dass es gar nicht erst so weit komme, fügte er hinzu.
Im Gegensatz zu früher würde er heute den Wehrdienst wohl nicht mehr verweigern, so Klingbeil. Zwar sei sein Zivildienst bei der Bahnhofsmission in Hannover eine sehr wertvolle Zeit gewesen. „Aber das, was ich damals an Argumenten gegen die Bundeswehr hatte, habe ich heute nicht mehr“, sagte er.
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Obwohl sein Vater Berufssoldat gewesen sei, habe er nicht darauf bestanden, dass sein Sohn zur Bundeswehr gehe, berichtete Klingbeil. In seiner Schule am Heeresstandort Munster in Niedersachsen habe es jedoch Anfeindungen gegeben: Einmal sei er aus der großen Pause zurück in den Klassenraum gekommen und habe gesehen, dass jemand mit fettem Stift auf sein Heft „Zivilversager“ geschrieben habe. „Also das war etwas Unanständiges für manche, nicht zur Bundeswehr zu gehen. Und ich habe auch Klassenkameraden gehabt, die mir dann vertraulich durchaus erzählt haben, sie hätten sich auch vorstellen können, Zivildienst zu leisten, aber dann wären sie zu Hause rausgeflogen.“
Klingbeil musste entscheiden, ob 2000 Soldaten aus seiner Heimatregion in den Krieg ziehen
Klingbeil bezeichnete die Verlängerung des Bundeswehreinsatzes in Afghanistan 2011 als schwerste Entscheidung seines politischen Lebens. Der Bundestag habe darüber entschieden, „ob aus meiner Heimatstadt Munster 2000 Soldaten nach Afghanistan gehen“, sagte Klingbeil im Podcast. Im Vorjahr waren beim sogenannten Karfreitagsgefecht drei Soldaten aus Seedorf getötet worden, das wie Munster zum niedersächsischen Wahlkreis des SPD-Vorsitzenden gehört. Ein paar Monate später sei der frühere Lebensgefährte seiner Schwester in Afghanistan gefallen. „Der ist damals mit dem Fuchs-Panzer, mit dem er unterwegs war, über eine Tretmine gefallen“, berichtete Klingbeil.
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Klingbeil stimmte der Verlängerung des Afghanistan-Mandats schließlich zu – nachdem er sich mit einem evangelischen Geistlichen beraten hatte. „Wir haben diskutiert und ich habe dann für mich gemerkt, nein, ich bin standfest mit meinen Argumenten und kann am Ende mit Ja stimmen“, sagte er. „Aber es waren viele schlaflose Nächte.“ Glücklicherweise sei keiner der 2000 Soldaten aus Munster, für deren Entsendung er stimmte, in Afghanistan gestorben.
Klingbeil wandte sich im Podcast außerdem gegen Berichte, er habe sich gegen eine erneute Kandidatur von Bundeskanzler Olaf Scholz gestellt. Die Gespräche hätten „vernünftig stattgefunden, aber die Erzählung eines Machtkampfes oder ich hätte da versucht, ihn abzubringen, das ist wirklich Quatsch“. Klingbeil lobte zugleich Verteidigungsminister Boris Pistorius (SPD). Pistorius gelinge, die Anliegen der Bundeswehr in der Bevölkerung „gut rüberzubringen und zu erklären“, so Klingbeil. Er sei „auch sonst ein sehr korrekter Typ und ich glaube, das mögen die Leute dann auch“.
Den Podcast „Meine schwerste Entscheidung“ können Sie hier hören und auf allen gängigen Streaming-Plattformen wie Spotify, Apple Podcast und Amazon Music. Neue Folgen erscheinen jeden zweiten Donnerstag. Bisher veröffentlicht:
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