Düsseldorf. Die Umstellung auf weitgehend bargeldlose Asylbewerberleistungen wird in NRW zum befürchteten Chaos: Viele Großstädte machen nicht mit.
Immer mehr Großstädte in Nordrhein-Westfalen wollen die neue Bezahlkarte für Flüchtlinge nicht einführen. Am Donnerstagabend hat ein von SPD und Grünen angeführtes Bündnis im Düsseldorf Stadtrat eine Ablehnung der Guthabenkarte gegen die CDU von Oberbürgermeister Stephan Keller durchgesetzt. Eigentlich gibt es in der Landeshauptstadt eine schwarz-grüne Koalition.
Eine vergleichbare Konstellation zeichnet sich auch in Essen und Köln ab. In Kommunalkreisen wird zudem berichtet, dass die Bezahlkarte ebenfalls in Aachen, Münster, Dortmund und Krefeld nicht kommen wird. Andere NRW-Städte wollen nach der Bundestagswahl am 23. Februar ablehnende Beschlüsse fassen. Die Karten-Gegner beklagen einen zu hohen Bürokratieaufwand und eine angebliche Stigmatisierung der Geflüchteten.
NRW-Städte nutzen ein Schlupfloch in den Landesregeln zur Bezahlkarte
Die Städte nutzen eine umstrittene „Opt-Out-Klausel“ in der Landesverordnung. Jede Kommune kann demnach selbst entscheiden, ob sie die Bargeld-Auszahlung an Asylbewerber eindämmt oder nicht. Dies galt als Zugeständnis von Ministerpräsident Hendrik Wüst (CDU) an seinen grünen Koalitionspartner. Während sich Wüst schon vor anderthalb Jahren auf Bundesebene für eine „flächendeckende“ und „schnellstmögliche“ Einführung der Bezahlkarte stark gemacht hatte, gibt es bei den Grünen erheblichen Widerstand. Die kommunalen Spitzenverbände forderte eine landeseinheitliche Pflichteinführung und warnten vor jenem „Flickenteppich“, der sich nun tatsächlich abzeichnet.
„Das grüne Feigenblatt der Opt-out-Regel wird jetzt offenbar zum K.O.-Kriterium für die Bezahlkarte“, kritisierte SPD-Landtagsfraktionsvize Lisa-Kristin Kapteinat am Freitag. Die Landesregierung habe den Kommunen einen Bärendienst erwiesen. „In den Städten und Gemeinden herrscht das reinste Durcheinander“, so Kapteinat.
Zu Jahresbeginn hatte die Landesregierung die Ausgabe einer Debitkarte ohne Kontobindung zunächst in den Landesunterkünften Dortmund-West, Borgentreich (Detmold), Remscheid, Euskirchen und Gladbeck erprobt. Damit sollen der Sozialleistungsmissbrauch eingedämmt und Anreize für den Zuzug nach Deutschland verringert werden.
Eigentlich sollen 100.000 Asylbewerber in NRW eine Bezahlkarte erhalten
Schrittweise sollten in den kommenden Monaten alle rund 100.000 Flüchtlinge in NRW die Bezahlkarte erhalten, die entweder Asylbewerberleistungen beziehen oder die ans Bürgergeld angelehnten „Analogleistungen“. Das gesetzlich vorgeschriebene monatliche Taschengeld für den persönlichen Bedarf würde damit nur noch als Guthaben gewährt. Mit der Karte können maximal 50 Euro in bar abgehoben werden.
Bis Ende März wird die Karte an die Bewohner in allen rund 50 Landesunterkünften ausgegeben. Anschließend war ein „Rollout“ auf die Flüchtlinge in kommunaler Verantwortung geplant. Für Alleinstehende steht aktuell ein Kartenguthaben von monatlich 196 Euro zur Verfügung, für Jugendliche 133 Euro und für Kleinkinder 126 Euro.