Berlin. Es sah aus wie Sabotage durch radikale Klimaaktivisten. Doch die Aktion war offenbar aus Russland gesteuert. Und soll Robert Habeck schaden.

Der Fall schlug große Wellen. Viele Medien berichteten. Täter sollen über Nacht etliche Autos beschädigt haben, 270 insgesamt. Den Auspuff verklebten die Männer mit Bauschaum. Auf den Fahrzeugen fanden sich oftmals Aufkleber. „Sei Grüner!“, daneben ein Bild von Kanzlerkandidat Robert Habeck.

Im Visier standen schnell: radikale Klima-Aktivisten. Doch diese Spur führt offenbar ins Leere. Recherchen des Spiegel zeigen nun: Die Sabotage geht mutmaßlich auf das Konto russischer Agenten. Demnach sollte die Aktion wohl Hass auf Habeck und die Grünen im Bundestagswahlkampf anstacheln. Habeck und seine Partei gelten als vehemente Unterstützer der Ukraine im russischen Angriffskrieg. Die Grünen machen sich unter anderem für mehr Waffenlieferungen an die Ukraine stark. Im Gespräch mit unserer Redaktion bestätigten Sicherheitsbehörden die Recherchen des Nachrichtenmagazins.

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Nach Erkenntnissen der Ermittler lief die Aktion der russlandtreuen Männer so ab: Die drei Personen wurden per Chat von Moskau aus angeworben, um die Aktion in Deutschland durchzuführen. Häufig nutzen russische staatliche Stellen dafür den Messengerdienst Telegram, hier war es offenbar der Konkurrent „Viber“. Die Männer sollten demnach deutschlandweit Autos beschädigen – und falsche Spuren hinterlassen.

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Betroffen waren Fahrzeuge in Baden-Württemberg, Berlin, Brandenburg und Bayern. Einer Polizeistreife im brandenburgischen Schönefeld war im Dezember schließlich ein Transporter mit drei jungen Männern aufgefallen, die mehrere Kartuschen mit Bauschaum bei sich hatten, wie er etwa zum Abdichten von Fenster- und Türrahmen verwendet wird.  Zunächst ließen die Beamten die Personen wieder fahren, nahmen an, es seien Handwerker.

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    Doch kurz nach der Kontrolle gingen die Meldungen los. 43 Autobesitzer stellten Anzeigen, bei ihren Fahrzeugen war das Auspuffrohr mit Bauschaum verstopft. Am Tatort lagen Papierschnipsel mit Slogans, die auf die Grünen hinweisen sollten.

    Die Staatsanwaltschaft in Ulm hat nach eigenen Angaben inzwischen vier Tatverdächtige im Visier. Es handele sich um insgesamt 123 Sachbeschädigungen, sagte ein Sprecher. Die vier Männer seien 17, 18, 20 und 29 Jahre alt. Ihren Ausweispapieren zufolge handelt es sich um einen Deutschen, einen Serben, einen Rumänen und einen Staatsbürger Bosnien-Herzegowinas. Die Ermittler in Baden-Württemberg gingen im Dezember zunächst von drei Tatverdächtigen aus.

    Für jedes beschädigte Fahrzeug sei ihnen ein Honorar von 100 Euro versprochen worden

    Bei den aus dem Raum Ulm stammenden Personen wurden Bauschaum und weitere Beweismittel beschlagnahmt, wie die Ermittler berichteten. Einer der Beschuldigten gab demnach bei der Vernehmungen an, er und weitere Beteiligte seien von einem russischstämmigen Serben zu den Attacken angestiftet worden.

    Die Kriminaltechniker konnten die Handys und Laptops der mutmaßlichen Täter auswerten. Es deckt sich mit den Aussagen des Beschuldigten. Über den Messengerdienst habe der Auftraggeber ihnen detaillierte Instruktionen für die Sabotageaktionen gegeben. Für jedes beschädigte Fahrzeug sei ihnen ein Honorar von 100 Euro versprochen worden. Mehrere tausend Euro seien dann auch gezahlt worden.

    Dem Bundesinnenministerium liegen nach eigenen Angaben bisher keine konkreten Hinweise auf russische Auftraggeber vor, die Ermittlungen dazu dauerten noch an. Und doch passt das Muster: Angeheuerte Saboteure, gezielte Sachbeschädigungen und dazu eine politische falsche Fährte – es ist ein Szenario, vor dem deutsche Nachrichtendienstler seit Monaten eindringlich warnen. In Russlands Strategie, den Westen und Deutschland zu destablisieren, spielen diese „Low-Level-Agenten“ eine zentrale Rolle.

    Nicht mehr nur die professionellen Agenten aus Moskau operieren in Deutschland, sondern auch hier lebende Putin-Sympathisanten oder Kleinkriminelle. Angeworben werden sie über soziale Netzwerke und Chatgruppen.

    Putins neue Agenten: „jung, russischsprachig, ideologisch prorussisch, ungeschult“

    Diese angeheuerten „Agenten“ gehören nicht offiziell zum Geheimdienst – und sie werden fallengelassen vom Dienst in Moskau, wenn sie auffliegen. Genau deshalb sprechen manche in den Sicherheitsbehörden auch von „Putins Wegwerf-Agenten“, andere nennen sie etwas höflicher „One-Use-Agents“, also Einweg-Agenten.  Der Verfassungsschutz schreibt, diese Personen seien „überwiegend jung, russischsprachig, ideologisch prorussisch und ungeschult“. 

    „Seit Monaten wird durch Spionage und Sabotage gezielt versucht, Verunsicherung zu schüren, bestehende Konflikte anzuheizen und uns als Gesellschaft zu spalten“, kommentierte der Grünen-Innenpolitiker, Konstantin von Notz, die Sabotageserie.

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    Zu den Aktionen, für die Russland die Hobby-Saboteure anheuert, gehören plumpe pro-russische Graffiti auf deutschen Straßen. Ungefährlich, und doch mit Einfluss auf das politische Klima in Deutschland. Nach dem Überfall der Terrororganisation Hamas auf Israel tauchten in Paris an Häuserwänden Hunderte aufgesprühte Davidsterne auf. Die Graffiti sorgten für Aufsehen. Im Verdacht schnell: Islamisten. Doch die Polizei erwischte ein Paar aus der Republik Moldau, einst Teil der Sowjetunion, auf frischer Tat. Nachrichtendienste rechnen die Organisation der Taten russischen Stellen zu.

    Nicht immer bleibt beim Besprühen von Fassaden. Ende Juli entzündet sich in einem Logistikzentrum der DHL Group am Flughafen in Leipzig ein Paket in einem Container. Ermittler entdeckten einen „unkonventionellen Sprengsatz“. Fast zeitgleich zündet ein zweiter Brandsatz in einem DHL-Warenlager im englischen Birmingham. Beide Flieger waren nicht in der Luft. Zum Glück, sagen Sicherheitsexperten heute.

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