Düsseldorf. Ein mutmaßlicher Mehrfach-Straftäter ist seit zehn Jahren in Deutschland, soll ausreisen, aber die Behörden wissen nicht, wer er ist.
- Ein Mann steht im Verdacht, eine Flüchtlingsunterkunft in NRW angesteckt zu haben.
- Die Polizei ermittelt schon länger gegen ihn, unter anderem wegen Kindesmissbrauchs.
- Sein Asylantrag wurde abgelehnt, er müsste ausreisen, aber nach zehn Jahren Aufenthalt in Deutschland kennen die Behörden seine Staatsangehörigkeit nicht.
Erneut wirft ein Fall eines ausreisepflichtigen Straftäters ein Licht auf die Probleme, die die Behörden in NRW mit Abschiebungen haben. Es geht um einen 35-Jährigen, der der am 23. November 2024 die zentrale Flüchtlingseinrichtung in Schleiden-Vogelsang in Brand gesteckt haben soll. Bei dem Brand wurden 16 Menschen verletzt, 57 Bewohner mussten auf andere Unterkünfte verteilt werden. Die Polizei ermittelt wegen siebenfachen versuchten Mordes, schwerer Brandstiftung und gefährlicher Körperverletzung.
Ermittlungen: Sexueller Missbrauch, Diebstahl, Betrug, Hausfriedensbruch, Drogen
Der Beschuldigte, der sich selbst als Algerier bezeichnet, ist der Polizei als möglicher Straftäter bekannt und lebt schon seit zehn Jahren in Deutschland. Laut einer Antwort von NRW-Fluchtministerin Josefine Paul (Grüne) auf eine FDP-Anfrage soll der Tatverdächtige unter anderem wegen des sexuellen Missbrauchs von Kindern in Erscheinung getreten sein. Wie der „Kölner Stadtanzeiger“ berichtet, soll der Mann an einer Busstation in Düren ein 13 Jahre altes Mädchen unsittlich berührt haben. Die Landesregierung nennt weitere Delikte, die dem Mann vorgeworfen werden: Unterschlagung, Betrug, Diebstahl in sieben Fällen, Hausfriedensbruch sowie eine Straftat nach dem Betäubungsmittelgesetz.
Verfahren zur „Personenfeststellung“ läuft, bisher aber ohne Ergebnis
Der Tatverdächtige hat der NRW-Fluchtministerin zufolge kein Recht auf Asyl. Sein Verfahren sei „negativ abgeschlossen“, heißt es in der Antwort. Die Abschiebung scheitere aber an fehlenden Reisedokumenten. Wie die Landesregierung erklärt, wurde ein bisher ergebnisloses „Personenfeststellungsverfahren“ eingeleitet, offenbar aber erst nach der Brandstiftung. Ein „Personenfeststellungsverfahren“ dient dazu, die wahre Identität einer Person festzustellen. Ob der Tatverdächtige tatsächlich, wie er behauptet, Algerier ist, ist unbekannt, obwohl er sich laut dem Ausländerzentralregister schon seit Dezember 2015 in Deutschland aufhält. Wie der „Kölner Stadtanzeiger“ unter Berufung auf die Aachener Staatsanwaltschaft berichtet, ist er derzeit in einer geschlossenen psychiatrischen Einrichtung untergebracht und wird dort untersucht.
Marc Lürbke (FDP) wittert „Behördenversagen“
Seit bekannt wurde, dass der mutmaßliche Attentäter von Solingen, ein Syrer, vor der Tat längst hätte abgeschoben werden sollen, schaut die Opposition bei solchen Fällen besonders genau hin. FDP-Innenexperte Marc Lürbke wittert im Fall des mutmaßlichen Algeriers ein „gravierendes Behördenversagen“, und er wirft Fluchtministerin Paul eine „fragwürdige Kommunikation“ vor. „Ihre unvollständigen Antworten auf unsere Anfrage lassen den Eindruck entstehen, dass das hohe Sicherheitsrisiko des Mannes verschleiert werden sollte“, sagte Lürbke dieser Redaktion. „Ein abgelehnter Asylbewerber mit schwerwiegenden Straftaten wie Kindesmissbrauch und psychischen Problemen bleibt trotz eindeutiger Gefährdungslage in Deutschland – das ist ein Skandal.“
Im Herbst musste die Ministerin im Bericht an den Integrationsausschuss des Landtags einräumen, dass von damals 34 ausreisepflichtigen Gefährdern in NRW nur einer zeitnah „rückführbar“ sei.
Der Landtags hat einen Parlamentarischen Untersuchungsausschuss (PUA) eingesetzt, um offene Fragen rund um den Anschlag von Solingen zu klären.