Washington. Vor acht Jahren fälschte Trump Zuschauerzahlen und wähnte sich in einem „Krieg“. Es war die Geburtsstunde eines besonderen Begriffs.

Von den 16 Minuten, in denen sich Donald Trump am 20. Januar 2017 auf den Treppen des Kapitols von Washington an das amerikanische Volk richtete, bleibt einer bis heute in Erinnerung: „Dieses amerikanische Gemetzel hört hier und heute auf.“  

Der damalige Überraschungssieger der Wahl von 2016, bei der die Demokratin Hillary Clinton eigentlich favorisiert war, nutzte die traditionelle Ansprache nach Ablegen des Amtseids zu einer absolut unversöhnlichen Attacke gegen so ziemlich alle Vorgänger-Regierungen.  

Sie hätten sich bereichert, Washington bevorteilt, große Teile Amerikas schlicht vergessen, das Ausland wirtschaftlich stark gemacht, fahrlässig amerikanische Jobs vernichtet, die Grenzen für Illegale durchlässig gemacht und viel zu lange „Verbrechen, Drogen und Bandenkriminalität“ geduldet. Kurzum: ein Land im Untergang, das nur einer retten könne: Donald J. Trump.  

Ärger um Trumps erste „Inauguration“: Deutlich weniger Besucher als noch bei Obama

Die Brandrede geriet so heftig, so dystopisch, dass der frühere republikanische Präsident George W. Bush die Augen verdrehte und später von einem „seltsamen Scheiß” sprach.  

Inauguration Day: SWEARING IN
Donald Trump bei seiner Amtseinführung am 20. Januar 2017. © AFP | Timothy A. Clary

Noch seltsamer wurde es, als nach der Zeremonie die Geburtsstunde der „alternativen Fakten“ schlug, die Trumps damalige Beraterin Kellyanne Conway in den politischen Sprachgebrauch einführte. Trump hatte im Fernsehen gesehen und in vielen Zeitungen gelesen, was sich jedem, der unvoreingenommen vor Ort war, sofort erschloss: Die Besucherzahl bei seiner „Inauguration“ war höchstens ein Drittel so groß (knapp 700.000) wie bei dem von ihm bis heute gehassten Barack Obama 2009 (rund 1,8 Millionen).  

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Zur Untermauerung wurden Luftbilder veröffentlicht. Sie zeigten für den 20. Januar 2009 eine überfüllte Museumsmeile zwischen Obelisk und Kapitol. Das Bild vom 20. Januar 2017 dagegen wies dagegen deutliche Lücken in der Menge auf. Exakte Zahlen gab es nicht, weil niemand die Besucher zählte. Keith Stil, ein Experte in der Kunst, Menschenmassen zu quantifizieren, sagte, Trumps Zuschauerzahl sei etwa ein Drittel so groß gewesen wie jene Obamas vor acht Jahren. 

Trump im „Krieg mit den Medien“: Seine Zahl wurde von niemandem geteilt

Das kann nicht sein, das darf nicht sein, entschied Trump und ließ anderntags seinen Ärger im Hauptquartier des Auslandsgeheimdienstes CIA los. Er sei „im Krieg mit den Medien“, donnerte der damals 70-Jährige. Und Journalisten gehörten zu den „verlogensten menschlichen Wesen auf der Erde“. TV-Sender und Zeitungen hätten seine Amtseinführung mit falschen Zahlen absichtsvoll herabgewürdigt, um seinen Sieg zu entwerten. „Ehrlich gesagt, es sah aus wie 1,5 Millionen Leute“, sagte Trump. Eine Zahl, die von niemandem geteilt wurde.  

Inauguration Day: SWEARING IN
Die Geburtsstunde der alternativen Fakten: Die Amtseinführung von US-Präsident Donald Trump 2017. © AFP | BRENDAN SMIALOWSKI

Kurz danach legte sein erster Regierungssprecher Sean Spicer wütend nach. Er warf den Journalisten im Weißen Haus Lügen vor und kündigte an, sie „zur Rechenschaft zu ziehen“. „Noch niemals“ seien so viele Menschen zu einer Inauguration gekommen wie bei Trump, dekretierte der kleine Mann im Basta-Stil.  

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Spicer behauptete, dass die Verkehrsbetriebe in Washington am Tag der Amtseinführung Trumps 570.000 Tickets verkauft hätten – das seien rund 200.000 weniger gewesen als bei Obama. Völlig falsch nach offiziellen Angaben der Metro-Betreiber: Beim Vorgänger stiegen 2009 rund 1,1 Millionen Menschen in die Bahn, 2013 waren es 780.000.  

USA: Dutzende Festnahmen bei Trumps erster Amtseinführung 2017

Die Vehemenz, mit der Trump und seine Leute die Wahrheit zu biegen bereit waren, überschattete das wirklich Neue bei seiner ersten Amtseinführung. Schon am Voraband hatte es nach einem schwach besuchten Gratis-Konzert am Lincoln-Denkmal, wo in Ermangelung echter Stars Leute wie Toby Keith und Lee Greenwood musizierten, heftige Rangeleien zwischen der Polizei und Anti-Trump-Demonstranten gegeben.  

Republican Presidential Nominee Donald Trump Holds Election Night Event In West Palm Beach
Donald Trump nach seiner gewonnenen Wahl im Herbst 2024. Seine zweite Amtseinführung steht noch bevor. © Getty Images via AFP | WIN MCNAMEE

Die Szene war Aufgalopp zu noch mehr Protest, dem die Polizei mit 28.000 Einsatzkräften Herr werden wollte. Während Trump und Ehrengäste am Kapitol waren, warfen Vermummte wenige Kilometer entfernt Autofenster und Scheiben von Niederlassungen von McDonald's und der Bank of America ein.  

Es kam zu Dutzenden Festnahmen. Trump saß derweil mit 200 handverlesenen Gästen beim Mittagessen. Nach einem Gebet gab es Hummer aus Maine, Angus-Steak, Korbel-Champagner aus Kalifornien und Schokoladen-Pudding. Dazu spielte das „Smithonian“-Kammerorchester. Die Stimmung, erinnern sich Teilnehmer, sei „seltsam” gewesen. 

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