Berlin. Die Bundesregierung hat den 9. Altersbericht vorgelegt. Er zeigt viele Probleme auf: von finanziellen Schwierigkeiten bis zum Wohnraum.
Menschen im Alter droht in Deutschland immer häufiger die Armut: Das geht aus dem 9. Altersbericht der Bundesregierung hervor, den am Mittwoch Bundesfamilienministerin Lisa Paus (Grüne) mit Vertretern der zuständigen Sachverständigenkommission in Berlin vorstellte. „Die Alterseinkommen sind prinzipiell gestiegen, aber auch die Altersarmut hat überproportional zugenommen“, sagte Martina Brandt, Vorsitzende der zuständigen Kommission und Professorin für Sozialstruktur und Soziologie alternder Gesellschaften an der Technischen Universität Dortmund.
Bei Menschen über 65 Jahren lag die Armutsgefährdungsquote nach Angaben des Statistischen Bundesamtes zuletzt bei 18,3 Prozent, unter allen Altersgruppen sind es 14,7 Prozent. Die Quote steht im Verhältnis zum Einkommen: Als armutsgefährdet gilt, wer über weniger als 60 Prozent des mittleren Einkommens der Gesamtbevölkerung verfügt. In Deutschland liegt dieser Wert laut Statistikbehörde für eine alleinlebende Person bei 15.000 Euro netto im Jahr beziehungsweise 1.250 Euro netto im Monat.
Altersarmut: Vor allem Frauen ohne deutsche Staatsbürgerschaft betroffen
Lange lag die Gruppe der Über-65-Jährigen unter dem Bundesdurchschnitt bei der Altersarmutsgefährdung. Doch seit Kurzem habe sich laut Brandt der Trend umgekehrt. Dies liege auch an der vielfältigeren Zusammensetzung der Älteren. Keine kontinuierlichen Erwerbsbiographien und entsprechend nicht genügend Renteneinkünfte würden verstärkt zu Altersarmut führen. Vor allem Frauen seien betroffen. „Altersarmut ist stark weiblich“, sagte auch Lisa Paus. Am häufigsten treffe es alleinstehende Frauen ohne deutsche Staatsangehörigkeit, konkretisierte Brandt. Hier liege das Altersarmutsrisiko bei 41 Prozent.
Alarmiert von den Zahlen zeigte sich der Sozialverband Deutschland (SoVD). „Diese Zahlen sind beunruhigend – niemand darf am Ende seines Erwerbslebens in Armut leben“, sagte die SoVD-Vorstandsvorsitzende Michaela Engelmeier dieser Redaktion. In die Beratungsstellen des Sozialverbandes würden vermehrt Ältere kommen, die „finanziell am Rande stehen“, berichtete Engelmeier. „Und wir erhalten auch immer mehr sorgenvolle Briefe von Rentnerinnen und Rentnern, die anmahnen, dass alles immer teurer wird und sie nicht wissen, wie sie das noch stemmen sollen.“
Scham vor Inanspruchnahme von Sozialleistungen
Gleichzeitig würden viele Anspruchsberechtigte weder die Grundsicherung im Alter noch das Wohngeld in Anspruch nehmen. „Hier muss künftig offensiv beraten und aufgeklärt werden. Wir fordern hier darum schon lange einen Freibetrag in der Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung – und das ohne Vorbedingungen“, sagte Engelmeier. Auch die Kommissionvorsitzende Brandt berichtete von einer „Scham vor Inanspruchnahme“ vor Leistungen wie der Grundsicherung. Schätzungen zufolge würden 60 Prozent der berechtigten Personen die Grundsicherung im Alter nicht in Anspruch nehmen.
Finanzielle Engpässe sind allerdings nicht die einzigen Probleme, mit denen Senioren konfrontiert werden. Insbesondere in den Städten fehle es an bezahlbaren barrierefreiem Wohnraum, auf dem Land wiederum an geriatrischen Betreuungsangeboten, sagte Brandt. Und: Noch immer existieren Vorurteile und Altersdiskriminierung, stellte Paus fest. „Das ist nicht hinnehmbar“, sagte die Grünen-Ministerin. Allein zwischen 2022 und 2023 sei die Zahl der Beratungen zum Thema Altersdiskriminierung bei der Antidiskriminierungsstelle des Bundes um 70 Prozent in die Höhe geschnellt.
- FDP-Krise: Affront gegen Lindner? FDP-Vize will mehr Distanz zu Musk
- Migration: Versprechen CDU und CSU zu viel? Ein Faktencheck
- Faeser-Plan: Welche Syrer werden jetzt abgeschoben?
- Wahleinmischung: Kanzler Scholz zu Attacken von Elon Musk: „Cool bleiben“
- Podcast: Strack-Zimmermann über ihren Kampf gegen den Kanzler