Berlin. Unter Hochdruck wurden viele LNG-Projekte angeschoben, die jetzt stocken oder schwerfällig laufen. Die Bundesregierung hält daran fest.

In Stade kommt immer noch kein Gas an. Seit März 2024 liegt die Energos Force, ein schwimmendes Flüssiggas-Terminal, westlich von Hamburg in der Elbe. Schon längst sollte sie tiefgekühltes Flüssiggas wieder aufwärmen, gasförmig machen und ins deutsche Netz einspeisen. Doch bislang tut sich gar nichts, und es ist auch nicht klar, wann sich das ändern wird. Die Fertigstellung der Anlagen vor Ort lässt auf sich warten.

Das Projekt in Stade steht damit beispielhaft für die Situation der deutschen LNG-Terminals insgesamt. Denn Ausbau und Betrieb der Infrastruktur, einst im damals von der Regierung ausgerufenen „Deutschlandtempo“ gestartet, dümpeln vor sich hin.

Neben Stade verzögert sich ein weiteres Projekt. Das Schiff, das als zweite schwimmende Anlage in Wilhelmshaven in Betrieb gehen soll, liegt derzeit noch in Spanien. Hier soll es im ersten Quartal 2025 losgehen, statt wie ursprünglich geplant in der zweiten Hälfte von 2024. Und selbst dort, wo tatsächlich Gas umgeschlagen wird, läuft das Geschäft eher schwerfällig.

Die Deutsche Umwelthilfe sieht Deutschland dabei, „in eine Falle zu tappen“

Mit dem Wegfall russischer Gaslieferungen per Pipeline war Flüssiggas 2022 plötzlich ins Zentrum der Energiepolitik und öffentlicher Aufmerksamkeit gerückt. In kurzer Zeit wurden schwimmende Terminals gechartert, Leitungen und Anleger an Land geschaffen. Projekte für sechs temporäre Terminals wurden damals angestoßen, die später ersetzt werden sollen durch drei fest installierte.

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Doch drei Jahre nach Beginn der Energiekrise spielt Flüssiggas für die Versorgung deutscher Haushalte und der Industrie nur eine untergeordnete Rolle. Gerade einmal acht Prozent der Gasimporte kamen 2024 über die LNG-Schiffe, das zeigen Daten des europäischen Gasinfrastruktur-Verbands GIE, die die Deutsche Umwelthilfe (DUH) ausgewertet hat. Der Rest kommt per Pipeline aus europäischen Nachbarländern.

LNG-Terminal Wilhelmshaven
Die Baustelle für den zweiten Anleger in Wilhelmshaven im Sommer 2024. © DPA Images | Sina Schuldt

Nach der Auswertung wurde sowohl in Wilhelmshaven als auch in Brunsbüttel – den beiden bereits aktiven Standorten, die von einer bundeseigenen Gesellschaft betrieben werden – im vergangenen Jahr deutlich weniger Gas eingespeist, als technisch möglich wäre. Die Auslastung lag bei 64 Prozent beziehungsweise 68 Prozent. Noch deutlich weniger Gas kam über das privat betriebene Terminal in der Ostsee bei Rügen an, hier lag die Auslastung 2024 laut Umwelthilfe bei durchschnittlich acht Prozent.  

Die Deutsche Energy Terminal GmbH, die Bundesgesellschaft, die die Terminals in Brunsbüttel und Wilhelmshaven betreibt, ist trotzdem zufrieden. Die DET sieht die Auslastung der Terminals für 2023 und 2024 „auf einem sehr guten Niveau“.

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Meine schwerste Entscheidung

Die Schiffe sollen nur die erste Stufe sein, in den kommenden Jahren sollen sie ersetzt werden durch drei feste Terminals an Land. Doch aus Sicht der Umwelthilfe zeigen die aktuellen Auslastungszahlen, dass diese Pläne nicht mehr zeitgemäß sind. „Offensichtlich werden diese Kapazitäten im Normalmodus nicht benötigt“, sagt Constantin Zerger, Energie- und Klimaexperte der DUH. Mit dem Festhalten an den schwimmenden und auch den geplanten festen Terminals drohe Deutschland „klimapolitisch in eine Falle zu tappen“. Die Organisation weist darauf hin, dass der Gasverbrauch und damit die Nachfrage in Deutschland und Europa mit dem Fortschreiten der Energiewende künftig sinken sollen.

Gasversorgung: Die LNG-Terminals als eine teure Versicherung

Die mangelnde Auslastung, argumentiert Zerger, gehe zudem zu Lasten der Steuerzahlerinnen und Steuerzahler. Für die werde es „einfach immer teurer“, sagt er. „Finanziell bedeutet das Festhalten eine weitere Belastung des Bundeshaushalts.“

Tatsächlich sind die Terminals nicht billig. Erst kurz vor Weihnachten hatte die EU-Kommission grünes Licht gegeben für voraussichtlich vier Milliarden Euro an Zuschüssen, die der Bund bis 2033 für vier schwimmende Terminals aufbringen muss.

Über die Betriebszeit der Terminals sei nach derzeitigem Stand ein Ausgleich mit staatlichen Finanzmitteln notwendig, bestätigt das Bundeswirtschaftsministerium. Das Haus weist aber gleichzeitig daraufhin, dass die Terminals in erster Linie der Versorgungssicherheit dienen, als Versicherung „gegen eine Gasverknappung oder gar eine Gasmangellage“. Die könnte etwa dann eintreten, wenn die Gaspipelines aus Norwegen beschädigt würden – das Land ist derzeit der mit Abstand wichtigste Gaslieferant für Deutschland.

Die Union will eine Bestandsaufnahme nach der Bundestagswahl

„Angesichts der russischen Spionage über europäischen Energie- und Datenleitungen ist das kein abstraktes Szenario“, sagt Ingrid Nestle, Sprecherin der Grünen im Bundestag für Klimaschutz und Energie. In der geringen Auslastung der Terminals sieht sie kein Problem, im Gegenteil: Eine weitgehende Auslastung der Terminals war „aus meiner Sicht nie das Ziel“, sagt sie. „Ich bin froh, wenn wir weniger statt mehr LNG importieren.“

„Mit der Union werden keine Terminals kommen, die die Welt nicht braucht.“

Mark Helfrich
Fachsprecher der CDU/CSU-Fraktion für Energiepolitik

Auch in der Opposition setzt man auf Vorsicht. „Ich warne davor zu glauben, nur weil ein Terminal nicht die volle Importkapazität nutzt, werde es nicht benötigt“, sagt Mark Helfrich (CDU), Energieexperte der Unionsfraktion im Bundestag. Deutschland müsse genug Import-Kapazitäten haben, um mindestens den Ausfall einer großen Pipeline kompensieren zu können. Wenn dann noch ein sehr kalter Winter dazu komme, sollte man damit auch umgehen können.

Trotzdem, sagt Helfrich, müsse die nächste Bundesregierung eine Zwischenbilanz ziehen zur Flüssiggasinfrastruktur. „Es wird nach der Wahl mit Sicherheit eine Bestandsaufnahme geben, wo wir mit den LNG-Terminals in der Planung und Umsetzung stehen und was das für Versorgungssicherheit und Bezahlbarkeit heißt“, sagt er. Versorgungssicherheit habe eine hohe Priorität, „aber auch mit der Union werden keine Terminals kommen, die die Welt nicht braucht.“ Welche das sind, kommt allerdings darauf an, wen man fragt.