Berlin. Der US-Präsident und der Bundeskanzler befinden sich in einer Übergangsphase. Sind sie deshalb „lahme Enten“? So profilieren sie sich jetzt.

In der amerikanischen Politik gibt es eine besondere Übergangsphase zwischen der Wahl eines neuen Präsidenten im November und dessen Amtseinführung im Januar. Diese „Lame-Duck“-Periode (dt. Lahme-Ente), in der sich Joe Biden gerade befindet, kann sowohl eine Zeit der Vorbereitung für den Nachfolger als auch ein Moment für den scheidenden Präsidenten sein, um letzte Entscheidungen zu treffen. Es ist eine Phase der politischen Übergabe, in der der scheidende Präsident zwar formal noch im Amt ist, seine Handlungsfähigkeit jedoch oft eingeschränkt ist. Dennoch birgt sie auch Potenzial für strategische Entscheidungen, die das politische Erbe maßgeblich beeinflussen können. Der scheidende Präsident kann in dieser Zeit entweder symbolische Handlungen setzen oder pragmatische Maßnahmen ergreifen, um seine Agenda noch vor dem Ende der Amtszeit voranzutreiben.

Ein Beispiel für solch umstrittene Entscheidungen ist John Adams, der im Jahr 1800 zahlreiche Richterposten besetzte, um seiner Partei Einfluss zu sichern – ein Erbe, mit dem sein Nachfolger Thomas Jefferson lange zu kämpfen hatte. James Buchanan sah sich 1860 in seiner „Lame-Duck“-Phase mit der Abspaltung von Südstaaten konfrontiert, die später zum Bürgerkrieg führten. Auch Bill Clinton erregte Aufsehen, als er am letzten Tag seiner Amtszeit im Januar 2001 immerhin 140 Begnadigungen aussprach. Solche Aktionen können noch lange nach dem Ende der Amtszeit des Präsidenten weitreichende Folgen haben.

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Und Olaf Scholz? Ist er jetzt auch eine „lahme Ente“?

Im Gegensatz zu vielen parlamentarischen Systemen, in denen der Übergang rasch erfolgt, ist die „Lame-Duck“-Periode in den USA deutlich länger. Dies liegt an den strukturellen Besonderheiten der amerikanischen Verfassung, die es dem neuen Präsidenten erlaubt, sein Kabinett und wichtige Verwaltungsposten schrittweise zu besetzen. In Deutschland kann ein Regierungswechsel ähnlich lange dauern, da ein Kanzler zunächst eine Koalition bilden muss. In Großbritannien übernimmt ein neuer Premierminister oft innerhalb weniger Tage die Regierung. Diese Unterschiede im Zeitrahmen spiegeln die verschiedenen politischen Systeme wider und beeinflussen, wie lange scheidende Politiker Einfluss ausüben können.

G20-Gipfel
Kanzler Olaf Scholz steht vor der Vertrauensfrage. Macht ihn das mit Blick auf die Neuwahlen im Februar auch zu einer „lahmen Ente“? © DPA Images | Kay Nietfeld

Auch in Deutschland steht Kanzler Olaf Scholz am Ende seiner Amtszeit, da die Ampelkoalition zerbrochen ist und er im Dezember die Vertrauensfrage stellen wird. Die Neuwahlen sollen am 23. Februar sein. In dieser Phase schwindet seine Macht, während die Parteien im Wahlkampf stecken. Scholz könnte aber noch außenpolitische Akzente setzen, zum Beispiel mit Besuchen im Ausland oder mit öffentlichen Stellungnahmen. Ob er so versuchen wird, seine politische Richtung auch über seine Amtszeit hinaus sichtbar zu machen, bleibt abzuwarten.