Washington. Die 60-Jährige greift ihren Konkurrenten hart an. Und erzählt der amerikanischen Öffentlichkeit zum ersten Mal mehr über sich selbst.
Bei ihrer Abschluss-Kundgebung im Hinterhof des Weißen Hauses in Washington hat die demokratische Präsidentschaftskandidatin Kamala Harris am Dienstagabend ein leidenschaftliches Plädoyer für Versöhnung und Einheit gehalten – und ihren Konkurrenten Donald Trump als „kleinen Tyrannen” angegriffen.
Der Ex-Präsident sei „jemand, der labil ist, von Rache besessen, von Kränkung verzehrt und auf der Suche nach unkontrollierter Macht.“ Über sich selbst sagte sie: „Wenn ihr mir die Chance gebt, für euch zu kämpfen, wird mich nichts auf der Welt aufhalten können.“
US-Wahl: Harris wählt symbolträchtigen Ort für Abschlussrede
Bei der Wahl am 5. November gehe es „um die Entscheidung, ob wir ein Land haben, das in Freiheit verwurzelt ist, für jeden Amerikaner, oder ob es von Chaos und Spaltung beherrscht wird”, sagte die Vize-Präsidentin vor 75.000 Anhängern auf der „Ellipse”, einem Park zwischen Regierungszentrale und Obelisk, dem Wahrzeichen der Hauptstadt.
Sie wirkte bei dem 30-minütigen Beitrag, der auf bombastische Wahlkampf-Rhetorik verzichtete und eher wie eine intime Konversation mit den Bürgern wirkte, selbstsicher und mit sich im Reinen.
Am selben Ort hatte Ex-Präsident Donald Trump am 6. Januar 2021 laut Harris „einen bewaffneten Mob zum Kapitol der Vereinigten Staaten geschickt, um den Willen des Volkes in einer freien und fairen Wahl zu stürzen“. Dabei wurden 140 Polizisten verletzt, mehrere Menschen starben. Etliche Strafprozesse, in die Trump verwickelt war, haben sich daraus ergeben.
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Seither habe Trump dafür gesorgt, dass sich Amerika „mit Spaltung, Chaos und gegenseitigem Misstrauen beschäftigt”. Die einfache Wahrheit dagegen laute: „Es muss nicht so sein.“
Kamala Harris erzählt mehr über ihren Führungsstil
Die 60-Jährige erzählte der amerikanischen Öffentlichkeit zum ersten Mal mehr über sich selbst, was sie motiviert und was ihren Führungsstil ausmacht.
Sie sagte, sie habe „den Antrieb, diejenigen zur Rechenschaft zu ziehen, die ihren Reichtum oder ihre Macht nutzen, um andere Menschen auszunutzen, und den Antrieb, hart arbeitende Amerikaner zu schützen, die nicht immer gesehen oder gehört werden und eine Stimme verdienen. Und ich sage Ihnen, dass ich diese Art von Präsidentin sein werde.”
In ihrer vielleicht wichtigsten Rede seit dem Parteitag der Demokraten im Sommer stellte sie erneut einige ihrer populärsten Vorschläge vor: eine Steuergutschrift für Erstkäufer von Eigenheimen, eine erweiterte Steuergutschrift für Kinder und die Begrenzung der Kosten für verschreibungspflichtige Medikamente für alle Amerikaner.
Mehrere Minuten verwandte Harris auf ihr Top-Thema Abtreibung und versprach, das von ihrem Widersacher geschredderte Recht auf Schwangerschaftsabbruch zu reaktivieren, wenn der Kongress ihr ein entsprechendes Gesetz vorlegt.
Harris über Trump: „Er will sie ins Gefängnis stecken“
Harris, die sich direkt auf Donald Trumps Aussage über den „inneren Feind“ bezog, erklärte, sie werde eine Präsidentin sein, die offen für unterschiedliche Meinungen und Fachwissen eintrete und nicht im Dienste der politischen Profilierung stünde.
„Ich glaube nicht, dass Menschen, die anderer Meinung sind als ich, der Feind sind“, sagte sie. „Er will sie ins Gefängnis stecken. Ich werde ihnen einen Platz am Tisch geben.“
„Ich bin darauf aus, Fortschritte zu erzielen“
Kamala Harris betonte, dass sie ihre Präsidentschaft nutzen will, um eine gemeinsame Basis unter den Amerikanern zu finden – ein Versprechen, das Joe Biden 2020 gegeben hatte und nicht halten konnte.
„Ich verspreche, nach einer gemeinsamen Basis und nach Lösungen zu suchen, die auf gesundem Menschenverstand basieren, um Ihr Leben zu verbessern. Ich bin nicht darauf aus, politische Punkte zu sammeln. Ich bin darauf aus, Fortschritte zu erzielen”, sagte Harris auf der von amerikanischen Flaggen und blauen-weißen Bannern mit der Aufschrift „Freedom” (Freiheit) flankierten Bühne.
Im Hintergrund war das Weiße Haus ausgeleuchtet, indem in weniger als 90 Tage entweder sie oder Donald Trump im Oval Office sitzen werde.
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Kamala Harris‘ Abschlusskundgebung wurde stark geschützt
Bereits am Mittag hatten Tausende Besucher im Hinterhof des Weißen Hauses in der Altweibersommer-Sonne auf Decken und kleinen Camping-Stühlen Platz genommen, um beim Einlass die Ersten zu sein. Vor Ihnen, Dutzende Schneepflüge, die dicht an dicht rund um das Herz des Regierungszentrums aufgebaut waren; zur Sicherheit gegen Attentate. Im Rücken ein 2,50 Meter hoher Metall-Zaun samt Kontroll-Posten und dahinter die Bühne.
Deborah McCannon und Cheryl Glader waren aus Virginia angereist. Die pensionierten Lehrerinnen trugen „Wir stehen zu Kamala”-T-Shirts und rote Sonnenbrillen. Über „den anderen Typen” (Trump) wollen sie nicht lange reden. „Völlig indiskutabel, in jeder Beziehung.” Nur mit Harris habe das Land die Chance zum „Neuanfang” und zur „Entgiftung”.
Die widrige Umfragen-Situation – Harris und Trump liegen praktisch gleichauf – schreckt sie nicht. „Viele, sehr viele Frauen werden am 5. November aufstehen und dem Mann die Rote Karte zeigen”, sagt McCannon mit Blick auf die umstrittene Abtreibungspolitik, die Trump via Oberstes Gericht möglich gemacht hat. Nach der Harris-Rede fiel der 67-Jährigen nur ein kurzer Satz ein: „Das war wirklich präsidiabel.”
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