Berlin. Der Richterbund und die Union werfen der Regierung vor, das Sicherheitspaket schrumpfen zu wollen. Um diese Punkte geht es dabei konkret.

Im Bundestagswahlkampf zeichnet sich eine Auseinandersetzung um eine strengere Migrationspolitik ab. CDU-Chef Friedrich Merz sagte am Wochenende, er wolle keinen Migrations- und Einwanderungswahlkampf führen. Wenn die Beschlüsse der Ampel-Koalition aber nicht ausreichten, werde er die Migrationsfrage im Wahlkampf stellen, kündigte der Unionskanzlerkandidat auf einem CSU-Parteitag an. Einen Vorgeschmack liefert die heftige Kritik der Union am Sicherheitspaket der Koalition.

Nach dem Messeranschlag von Solingen hatte die Regierung Verschärfungen im Umgang mit Asylbewerbern, striktere Waffengesetze in Bezug auf das Tragen von Messern sowie größere Kompetenzen der Sicherheitsbehörden beschlossen. Die Union hatte es abgelehnt, das Paket mitzutragen, vor allem da es keine Zurückweisungen an der Grenze enthielt.

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Nach einer Expertenanhörung änderten die Ampel-Fraktionen nun mehrere Punkte. CDU und CSU kritisieren dies wiederum als Verwässerung der Maßnahmen. Die Koalition habe „die elementarsten Teile rausoperiert“, empörte sich etwa CSU-Landesgruppenchef Alexander Dobrindt. Auch der Deutsche Richterbund ist enttäuscht: „Die Ampelparteien wollen das zu klein geratene Sicherheitspaket der Bundesregierung noch weiter zu einem Mini-Päckchen schrumpfen“, sagte Bundesgeschäftsführer Sven Rebehn dieser Redaktion.

Sven Rebehn
„Die Ampelparteien wollen das zu klein geratene Sicherheitspaket der Bundesregierung noch weiter zu einem Mini-Päckchen schrumpfen“, kritisiert Sven Rebehn, Bundesgeschäftsführer des Deutschen Richterbunds. © Deutscher Richterbund | Deutscher Richterbund

Innenpolitiker der Ampel-Koalition weisen die Kritik zurück und wollen das Paket in dieser Woche im Bundestag beschließen. Die Änderungen machten das Sicherheitspaket „wirkungsvoll, anwendbar und vor allem rechtssicher“, sagte SPD-Fraktionsvize Dirk Wiese dieser Redaktion. Die Koalition habe „wichtige Hinweise aus der Praxis“ aufgenommen. Wiese warf CDU und CSU vor, „keine Expertise“ in dem Bereich zu haben.

Asylsuchenden können Sozialleistungen gestrichen werden

Asylsuchenden sollen weiterhin Sozialleistungen gestrichen werden können, wenn sie ausreisepflichtig sind und für ihr Asylgesuch ein anderer EU-Staat zuständig ist. Die Ampel-Fraktionen haben in einem dieser Redaktion vorliegenden Änderungsantrag allerdings klargestellt, dass für den Entzug der Leistungen „nach der Feststellung des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge die Ausreise rechtlich und tatsächlich möglich“ sein muss. „Wir wollen mit dem Leistungsausschluss weder Obdachlosigkeit noch Verelendung von Asylsuchenden, für die ein anderer Mitgliedstaat zuständig ist, hervorrufen“, begründete Wiese die Änderungen in einem Brief an SPD-Bundestagsabgeordnete, der dieser Redaktion vorliegt.

Auch FDP-Fraktionsvize Konstantin Kuhle verteidigte den Beschluss. „Schutzsuchenden, für die ein anderer EU-Mitgliedsstaat zuständig ist, wie beim Täter von Solingen, werden die Sozialleistungen gestrichen“, sagte Kuhle dieser Redaktion. Der FDP-Politiker wies außerdem darauf hin, dass Geflüchtete ihren Schutzstatus künftig leichter verlieren können, wenn sie in ihre Heimat reisen. Ausnahmen gibt es in bestimmten Fällen wie Beerdigungen.

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Die Koalition will das Mitführen von Messern in der Öffentlichkeit einschränken. © DPA Images | Rolf Vennenbernd

Anders als im Regierungsentwurf gilt dies nach Angaben von Kuhle nun auch für Menschen mit so genanntem subsidiären Schutz, den etwa viele Flüchtlinge aus Syrien haben. „Beide neuen Regeln – der Leistungsausschluss und die einfachere Aberkennung des Schutzstatus – sorgen für mehr Ordnung und Kontrolle im Bereich der Migration“, ist sich der FDP-Politiker sicher. Das Paket sieht auch Neuerungen im Waffenrecht vor. Diese enthalten nach den Worten Kuhles jetzt einen „einheitlichen Ausnahmekatalog“ für Menschen, die ein berechtigtes Interesse zum Führen von Messer haben. Dazu zählen etwa Gastronomen oder Jäger.

Die Union bemängelt, das Paket sei durch zu viele Ausnahmen zu einem „Schweizer Käse“ geworden. „Mit den nun verabredeten Messerverboten und neuen Befugnissen der Polizei wird für die innere Sicherheit nicht viel gewonnen“, findet auch Richterbund-Bundesgeschäftsführer Rebehn.

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Streit um Befugnisse der Sicherheitsbehörden im Netz

Die Kritik bezieht sich auch darauf, dass die Befugnisse der Sicherheitsbehörden zum automatischen Abgleich biometrischer Daten im Netz durch Software weniger weitgehend sein soll als ursprünglich geplant. „Die Eingriffsschwelle wird von den schweren Straftaten auf die besonders schweren Straftaten erhöht“, informierte Wiese die SPD-Bundestagsabgeordneten.

FDP-Fraktionsvize Kuhle wies die Kritik an den Befugnissen der Ermittler im Netz zurück: „Die neuen Ermittlungsbefugnisse der Sicherheitsbehörden in Sachen biometrischer Gesichtserkennung und automatisierter Datenanalyse können erst eingesetzt werden, wenn die Bundesregierung die technischen Fragen mit der Bundesbeauftragten für den Datenschutz und die Informationsfreiheit geklärt hat.“

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    „Überforderte Behörden und überlastete Gerichte können mit ihren wachsenden Aufgaben immer weniger Schritt halten“, sagte Bundesgeschäftsführer Rebehn. Die FDP verhindere aber, dass mehr Geld in den Bereich fließe. Es brauche ein Bund-Länder-Investitionspaket, das den Rechtsstaat stärke und die Sicherheitslage im Land tatsächlich verbessere. „Gelingt das nicht, verlieren die Parteien der demokratischen Mitte weiter an Vertrauen und die politischen Ränder profitieren“, warnte Rebehn.