Düsseldorf. Der „tiefe Hass“, der auch in NRW Jüdinnen und Juden begegnet, besorgt die Antisemitismusbeauftrage des Landes NRW zutiefst.

Die NRW-Antisemitismusbeauftragte und frühere Bundesjustizministerin Sabine Leutheusser-Schnarrenberger (FDP) blickt im Gespräch mit Matthias Korfmann mit großen Befürchtungen auf den Jahrestag des Hamas-Terrors.

Frau Leutheusser-Schnarrenberger, was empfinden Sie an diesem Jahrestag?

Sabine Leutheusser-Schnarrenberger: Mich besorgen die Unversöhnlichkeit und der tiefe Hass auf Jüdinnen und Juden, sowie der ausgeprägte israelbezogene Antisemitismus, der bei jungen Menschen auf immer größere Zustimmung stößt. Das Wissen über Israel und den Nahen Osten ist viel zu gering und muss stärker in der Bildungsarbeit für Junge und Erwachsene berücksichtigt werden. Falschinformationen und Verschwörungserzählungen verfangen durch Nichtwissen leichter und verbreiten sich dynamisch in den sozialen Medien. Es bedarf intensiver digitaler Gegenstrategien.

Bomben auf Israel werden gefeiert: „Das ist unerträglich“

Ist NRW auf diese Herausforderungen vorbereitet?

Sabine Leutheusser-Schnarrenberger: Seit dem 7. Oktober 2023 hat sich die Lebensrealität von Jüdinnen und Juden weltweit, auch bei uns in NRW, sehr nachteilig verändert. Sie ist von Unsicherheit und Angst geprägt. Der Tag ist auf schreckliche Weise in die Geschichte eingegangen. Nicht nur wurden über tausend unschuldige Zivilisten ermordet, verletzt und entführt, schon kurz nach dem Terrorangriff fand eine ungeheuerliche Täter-Opfer Umkehr statt, welche auch die Jüdinnen und Juden hier bei uns direkt zu spüren bekommen haben.

Dass der Bombenhagel aus dem Iran auf Israel vergangene Woche auf deutschen Straßen gefeiert und das Existenzrechts Israels in Frage gestellt wird, ist unerträglich. Mit 245 antisemitischen Straftaten haben wir für das erste Halbjahr 2024 einen Anstieg der Straftaten von 85 Prozent im Vergleich zum Vorjahreszeitraum verzeichnen müssen. Der erschreckende Anstieg auf eine Höchstzahl der Straftaten, den wir nach dem 7. Oktober festgestellt haben, hält demnach an. Die Landesregierung hat von Beginn an angemessen auf die Eskalation reagiert und verstärkt nach Notwendigkeit die Schutzvorkehrungen.

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