Düsseldorf. .

Die Klagen vor den Verwaltungsgerichten in NRW nehmen zu. Die Bürger wehren sich gegen die C0-Pipeline am Niederrhein oder die Oberbürgermeisterwahl in Dortmund. Das passt zum Zeitgeist der Protestbewegungen.

Immer mehr wichtige Entscheidungen der Lokalpolitik landen bei der Justiz. „Es gibt das Phänomen, dass vermehrt kommunalpolitisch bedeutsame Verfahren zu Gericht gebracht werden“, erklärte Richter Gerd-Ulrich Kapteina vom Verwaltungsgericht Düsseldorf.

Auffallend viele Bürger suchten bei Konflikten mit der eigenen Stadt Rechtsschutz. Dabei gehe es um Streitfälle wie Sicherheitsbedenken gegen die Kohlenmonoxid-Leitung am Niederrhein, um Lärmschutz am Flughafen Essen-Mülheim, um die ungeliebte Nachbarschaft zum Golfplatz in Willich oder auch um umstrittene Baumfällungen in Emmerich.

Es wird in der Richterschaft offen darüber spekuliert, ob die erhöhte Klagebereitschaft Zufall oder der Zeitgeist von Protestbewegungen wie beim Bahnhofsprojekt Stuttgart 21 ist. „Wir haben den Eindruck, dass das eine Entwicklung mit zunehmender Tendenz ist“, so Kapteina. Der Düsseldorfer Verwaltungsgerichtspräsident Andreas Heusch sieht die Richter zunehmend „in einer Mittlerrolle“ zwischen Bürgerinitiativen und verschiedenen Institutionen. Manche Urteile läsen sich heute wie „rechtliche Gebrauchsanweisungen“, sagte Kapteina.

Belastung der Gerichte auf Rekordniveau

Auch in anderen Gerichtsbezirken sorgten immer wieder kommunalpolitisch brisante Klagen für Aufsehen. So musste das Verwaltungsgericht Gelsenkirchen im März den Einspruch eines Dortmunder Bürgers gegen die Wiederholung der Oberbürgermeister-Wahl abweisen. Das Oberverwaltungsgericht Münster steht in der Frage des Bebauungsplans für das um­strittene neue Kohlekraftwerk in Datteln sogar seit Monaten im Blickpunkt der gesamten Landespolitik.

Die Belastung der Verwaltungsgerichte bewegt sich weiter auf Rekordniveau. Allein im Bezirk Düsseldorf verzeichnete man im abgelaufenen Jahr 9326 Klageeingänge, – über 50 Prozent mehr als 2007. Experten gehen davon aus, dass nicht allein die heutige Organisationsfähigkeit der Bürger außerhalb der politischen Entscheidungswege zur erhöhten Klagebereitschaft ge­führt hat. Der gesetzliche Rahmen sei zudem durch das EU-Recht so komplex geworden, dass Entscheidungen der Kommunen naturgemäß fehleranfälliger seien.