Berlin. Hat Friedrich Merz ein Frauenproblem? Eine aktuelle Umfrage zeigt, was die deutschen Wählerinnen vom Kanzlerkandidaten der Union halten.
Es war „Liebe auf den ersten Blick“. Charlotte Merz erinnert sich noch genau an die Party, damals vor 44 Jahren bei den Juristen an der Universität in Bonn. Bei Friedrich habe es dann noch ein bisschen länger gedauert, bis es funkte. Aber Ende gut, alles gut. Zumindest privat. Im politischen Leben dagegen läuft es bei Friedrich Merz nicht so gut mit den Frauen. Die meisten jungen Wählerinnen sagen sogar nach wie vor: Merz? Nein, danke. Was ist da los?
Die Meinungsforscher von Forsa befragen regelmäßig die Bundesbürger nach ihren Kanzlerwünschen. Die aktuelle Auswertung von September liegt dieser Redaktion vor. Das Ergebnis: der 68-jährige Merz kommt bei Frauen in allen Altersgruppen deutlich schlechter an als bei Männern, besonders groß ist die Skepsis bei jungen Frauen. Auf die Frage, für wen sie sich entscheiden würden, wenn sie Friedrich Merz oder Olaf Scholz direkt zum Kanzler wählen könnten, setzen nur 11 Prozent der Frauen unter 30 Jahren auf Merz, bei den gleichaltrigen Männern sind es dagegen 30 Prozent.
Kanzlerkandidat: Bei den Frauen liegt Olaf Scholz in allen Altersgruppen vorne
Schön für Merz: Seine Zustimmungswerte haben sich seit dem Frühjahr insgesamt verbessert. Bitter für die CDU: Die große Skepsis der Frauen bleibt stabil. Und: Bei Scholz ist es genau umgekehrt. Seine Zustimmungswerte liegen mit insgesamt etwas niedriger als bei Merz – bei den Frauen aber liegt der Kanzler in allen Altersgruppen vorne. Besonders die jungen Frauen votieren klar für Scholz. 42 Prozent der unter 30-Jährigen würden Scholz wählen – fast viermal so viele wie Merz. Je älter die Frauen, desto größer ist die Zustimmung für Merz. Bei den über 60-Jährigen sind 27 Prozent der Frauen und 34 Prozent der Männer für den CDU-Mann.
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Aber woran liegt das? Was stört die Frauen an Friedrich Merz? „Die Demoskopen sagen uns, dass Friedrich Merz mit seinem polarisierenden, offensiven Stil des Oppositionspolitikers junge Frauen weniger anspricht als die Männer“, sagt Karin Prien. Die CDU-Ministerin aus Schleswig-Holstein ist Merz‘ Vize im Parteivorstand. Merz, sagt sie, wisse gut, wie junge Frauen ticken – und wünscht sich, dass er mehr daraus macht: „Er hat selbst Töchter, die das Leben leben, das junge Frauen heute leben. Das kann er öffentlich mehr zeigen. Da ist noch Wählerinnenpotential, das er heben kann.“
Ende August bohrten die Forsa-Leute bei den Frauen noch einmal intensiver nach. Das Ergebnis ist bemerkenswert: Auf die Frage, welche positiven Eigenschaften sie mit Friedrich Merz verbinden, sind Frauen insgesamt deutlich weniger überzeugt. „Vertrauenswürdig“ finden ihn 28 Prozent – gegenüber 32 Prozent bei den Männern. Er „weiß, was die Menschen bewegt“ – das sagen 31 Prozent der Frauen und 35 Prozent der Männer. Für „kompetent“ halten ihn 43 Prozent der Frauen und 51 Prozent der Männer. „Führungsstark“ finden Merz 49 Prozent der Frauen und 53 Prozent der Männer. Dass Merz „verständlich redet“ loben 57 Prozent der Frauen und 64 Prozent der Männer. Schlecht für Merz: Nur 24 Prozent finden ihn „sympathisch“ – hier sind sich Frauen und Männer einig.
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Das geht auch anders. Merz‘ Vorgängerin Angela Merkel war als Kanzlerin so beliebt bei den Frauen, dass sie viele Wählerinnen auch jenseits des CDU-Milieus erreichen konnte. Bei Merz nun hoffen SPD und Grüne auf den umgekehrten Effekt: Dem CDU-Chef könnte sein Image als konservativer Hardliner auf die Füße fallen. Das Kalkül: Junge Wählerinnen aus der politischen Mitte wenden sich angesichts der Aussicht auf einen Kanzler Merz bei der Bundestagswahl reihenweise von der CDU ab.
Das Netz vergisst schließlich nichts – und so finden junge Frauen, die heute nach Friedrich Merz suchen, nicht nur seine Lust auf deutsche Leitkultur, sondern auch seine unglücklichen Äußerungen über schwule Politiker („Solange er sich mir nicht nähert, ist mir das egal!“) und seinen lange Zeit vehementen Kampf gegen ein liberaleres Frauen- und Familienrecht.
Friedrich Merz: „Er muss sich nicht neu erfinden, um bei Frauen noch besser zu punkten“
Robert Habeck, der seinen Traum vom Kanzleramt noch nicht aufgegeben hat, setzt seit einiger Zeit ganz offensichtlich genau auf diese Zielgruppe: Bürgerliche Frauen, die mit Merz fremdeln. Nicht zufällig hat der Grüne die ehemalige CDU-Kanzlerin gerade erst in einem Beitrag für den „Rolling Stone“ gelobt: Merkels souveräner Umgang mit männlichen Parteigrößen der Union sei ein „Sieg über den Chauvinismus“. Habeck hätte auch sagen können: Meine Damen, ich stehe bereit, das Merkel-Erbe anzutreten.
Was heißt das nun aber für Friedrich Merz? Mehr Interviews mit seiner Frau? Oder ein Imagewandel? Neuer Text, neue Musik?
Bloß nicht, sagt CDU-Frau Julia Klöckner am Telefon. „Friedrich Merz muss sich nicht neu erfinden, um bei Frauen noch besser zu punkten.“ Das wäre unglaubwürdig. „Es gibt schließlich niemanden, der bei allen Wählergruppen gleichermaßen gut ankommt. Angela Merkel zum Beispiel wurde von Macho-Männern auch nicht gerade gefeiert.“ Klöckner ist Schatzmeisterin ihrer Partei – und hat einen engen Draht zu Merz. „Es geht jetzt darum, wer unser Land gut führen kann und die richtigen Entscheidungen trifft. Man muss mit einem Kanzler ja nicht in den Urlaub fahren oder jeden Samstag sich zum Grillen treffen.“
CDU-Chef: Viele Kritikerinnen haben ihren Frieden mit Merz gemacht
Klöckners Rat: Bloß jetzt nicht den Fehler machen, sich zu verbiegen. „Friedrich Merz biedert sich keinem an, das ist auch gut so“, sagt Klöckner. Und bloß jetzt nicht den Habeck machen, auch wenn der bei einigen Frauen vielleicht besser ankommt. Man sieht förmlich, wie Klöckner am anderen Ende der Leitung die Augen gen Himmel rollt: „Robert Habeck dachte, es genügt, schöne Bilder mit Pferden im Gras zu machen und die Welt an seinem harten Schicksal teilhaben zu lassen, dass er Müsli mit Wasser essen müsse, weil er keine Milch zu Hause habe. Kann man machen, aber der Wirtschaft in unserem Land würde eine bessere Politik von ihm guttun.“
Klöckner weiß, welches Image Merz bei vielen Frauen draußen im Land hat. Ein Mann der alten Schule – und das nicht im guten Sinn des Wortes. Die 51-Jährige hält dagegen: Merz sei ein Teamplayer, er berate sich viel mit den Frauen in der Fraktion und Partei. „Und: Er ist mehrfacher Großvater, hat eine selbstbewusste und starke Ehefrau an seiner Seite, und seine Eltern sind mit einem Alter um die 100 Jahre gesegnet – diese Lebenswirklichkeiten bringen ihn auch den Wählerinnen näher.“ Ob das hilft?
„Merz und die Frauen in der CDU – das war bei manchen nicht gerade Liebe auf den ersten Blick“
In der CDU haben mittlerweile auch Merz-kritische Frauen ihren Frieden mit ihm gemacht: „Ich war nicht von Anfang an im Team Merz“, sagt Serap Güler. Die 44-Jährige ehemalige Integrationsstaatssekretärin von Nordrhein-Westfalen gehört zum liberalen Flügel, vor zwei Jahren geriet sie mit Merz heftig über die Integrationspolitik aneinander, der Fraktionschef stellte sie im Bundestag öffentlich zur Rede. Ein echter Merz-Ausraster. Das sei längst ausgeräumt, sagt sie heute. Merz sei die richtige Wahl. Und: „Man wächst mit seinen Aufgaben.“
„Merz und die Frauen in der CDU – das war bei manchen nicht gerade Liebe auf den ersten Blick“, sagt auch Karin Prien. Die liberale CDU-Frau hat sich jedoch entschieden, Merz zu unterstützen – „auch wenn ich inhaltlich in manchen Fragen anderer Auffassung bin“. Ihre Forderung an den Kanzlerkandidaten ist jedoch klar: Die Unterstützung für Merz sei da – „jetzt geht es um die Inhalte und Tonalität“. Prien verlangt eine Debatte über die Strategie der CDU: „Wir sollten nicht die Migrationspolitik ins Schaufenster stellen, sondern Wirtschaftspolitik und soziale Gerechtigkeit.“ Auf diese Weise, so hofft sie, ließen sich auch mehr Frauen von der CDU überzeugen.
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