Berlin. Alte Hasen, neue Gesichter und eine „Dampframme“: Wer in der CDU Chancen hat auf die wichtigen Jobs, falls Merz Kanzler werden sollte.
Aus Sicht von Friedrich Merz müsste in den kommenden zwölf Monaten schon einiges schieflaufen, damit der Gewinner der nächsten Bundestagswahl nicht seine CDU ist – und Merz selbst der nächste Kanzler. Seit Dienstag steht fest, dass CDU und CSU ihn als Kandidaten ins Rennen schicken. Damit richtet der Blick auf die zweite Reihe seiner Partei: Wen könnte Merz mitbringen ins Kabinett? Wer wird wichtig, wenn die Regierung wechselt?
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Carsten Linnemann (47): Forsch, wirtschaftsnah, katholischer Westfale: Der CDU-Generalsekretär ähnelt in vielerlei Hinsicht dem Parteivorsitzenden – nur ist er 22 Jahre jünger als dieser. Der gebürtige Paderborner gehört seit 15 Jahren dem Bundestag an und managt seit Sommer 2023 die Partei. Gemeinsam mit Merz verlieh er ihr eine deutlich konservativere Ausrichtung und vollzog die Abkehr vom Mitte-Kurs der Ära Merkel. Bei einer Regierungsbeteiligung der Union in der kommenden Legislaturperiode wäre Linnemann, der aus einer Buchhändlerfamilie stammt und promovierter Volkswirt ist, gesetzt.
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Jens Spahn (44): Er gehörte zu denen, die sich vergleichsweise früh festlegten: Dass Friedrich Merz Kanzlerkandidat der Union werden sollte, erklärte er schon Ende 2023, da war der Wettbewerb um die Kanzlerkandidatur noch gar nicht offiziell eröffnet. Spahn, der bei Merz‘ erstem Anlauf auf den CDU-Vorsitz noch sein Konkurrent war, hat sich seitdem als loyaler Stellvertreter in der Fraktion gezeigt.
Nicht nur deshalb kann der Münsterländer darauf hoffen, in einer möglichen Regierung Merz eine große Rolle zu spielen: Als ehemaliger Minister hat er auch Regierungserfahrung. Nach der Bundestagswahl hat er das Feld gewechselt und kümmert sich jetzt statt um Gesundheitspolitik für die Union um Fragen von Energie und Klima. Spahn, nicht für mangelndes Selbstbewusstsein bekannt, könnte sich aber sicher auch andere Ressorts vorstellen.
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Krude frühere Aussagen des CDU-Chefs zu Homosexualität („Solange sich das im Rahmen der Gesetze bewegt und solange es nicht Kinder betrifft“), hatte Spahn, der mit einem Mann verheiratet ist, damals kritisiert – mögliche Unstimmigkeiten deshalb sind aber ausgeräumt.
Julia Klöckner (51): Einen Wahlkampf mit Fokus auf die Wirtschaftspolitik will Merz nach eigener Aussage führen: Da dürfte neben dem Parteichef und Kanzlerkandidaten auch viel (Sende)Platz sein für Julia Klöckner, aktuelle wirtschaftspolitische Sprecherin der Union und Unterstützerin von Merz.
Auch die Rheinland-Pfälzerin bringt als ehemalige Landwirtschaftsministerin Regierungserfahrung mit. Medienberichten zufolge war sie auf einer Liste für eine Art Notfall-Kabinett, die im Frühjahr für den Fall eines Bruchs der Ampel-Koalition kursierte, als Familienministerin vorgesehen.
Dafür, dass Klöckner – wenn sie es will – nach der Wahl wieder eine größere Rolle spielen wird, spricht aber noch etwas: Nachdem zuletzt mehrere prominente CDU-Politikerinnen angekündigt hatten, 2025 nicht noch einmal anzutreten, ist sie eines der wichtigsten weiblichen Gesichter der Partei. Gerade für Friedrich Merz, der bei Frauen Umfragen zufolge merklich schlechter ankommt als bei Männern, kann sie deshalb eine wichtige Stütze sein.
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Karin Prien (59): Karin Prien ist zwar stellvertretende CDU-Chefin und damit Teil von Merz‘ Team in der Parteiführung. Trotzdem verbindet die Bildungsministerin von Schleswig-Holstein und den Kandidaten inhaltlich eher wenig. Prien gilt als Verbündete ihres Ministerpräsidenten Daniel Günther, und der wiederum als einer der wichtigsten Verteidiger des Merkel-Erbes in der CDU – also jenes Mitte-Kurses, von dem Merz sich loslösen will. Will er aber regieren, wird Merz auch diesen Teil der Partei einbinden müssen. Prien könnte dabei helfen.
Serap Güler (44): Jung, mit Migrationsgeschichte und weiblich: Alles keine Attribute, die man mit der Merz-CDU in Verbindung bringt. Aber vielleicht ist Serap Güler, auf die das alles zutrifft, gerade deshalb eine Kandidatin für eine hervorgehobene Rolle in einer Regierung des Sauerländers. Güler stammt wie Merz aus dem Landesverband NRW, doch als ihr Förderer galt nicht Merz, sondern Ex-Parteichef und -Kanzlerkandidat Armin Laschet. Wie Prien könnte sie deshalb ein Bindeglied darstellen zu den Teilen der Partei, die nicht von Anfang an hinter Merz standen – und vielleicht auch zu Teilen der Bevölkerung, die sich in dem 68-Jährigen nicht sehen. Bis 2021 war sie in NRW Staatssekretärin für Integration, seit der vergangenen Bundestagswahl ist sie Bundestagsabgeordnete.
Güler, Kind türkischer Einwanderer und des Ruhrgebiets, ist dabei politisch dabei durchaus nicht immer mit ihrem Fraktionsvorsitzenden Merz einer Meinung. Im Gedächtnis geblieben ist eine Episode aus dem Bundestag, als Güler gemeinsam mit anderen Unionsabgeordneten nicht gegen das Chancenaufenthaltsrecht der Ampel stimmte, sondern sich enthielt – wofür Merz sie Berichten zufolge im Plenum hart anging: „Was glauben Sie eigentlich, wer Sie sind?“, soll er sie angeherrscht haben.
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Thorsten Frei (51): Der Jurist aus Baden spielt eine zentrale Rolle in der Merz-CDU. Als Erster Parlamentarischer Geschäftsführer erledigt er im Bundestag die Kärrnerarbeit für den Fraktionsvorsitzenden. Frei verfügt über langjährige Erfahrung in der Kommunalpolitik, überdies repräsentiert er den nach Mitgliedern zweitstärksten CDU-Landesverband Baden-Württemberg. Seine politischen Positionen sind dezidiert konservativ. Im Auftritt ist frei meist freundlich, in der Sache aber hart. Auch er käme für ein Ministeramt infrage – oder aber für den Fraktionsvorsitz im künftigen Bundestag.
Dennis Radtke (45): Manche nennen ihn die „Dampframme aus Wattenscheid“. Seit der vergangenen Woche ist Dennis Radtke der neue Chef der CDU-Arbeitnehmervereinigung CDA. Mit dem Sozialflügel hat der Wirtschaftsmann Merz eigentlich nicht viel am Hut. Aber er muss ihn einbinden, wenn er die Wahl im kommenden Jahr gewinnen will. Der Langzeitkanzler Helmut Kohl hatte dafür seinen Arbeitsminister Norbert Blüm. Und auch Merz wird sich Vergleichbares einfallen lassen müssen. Hier könnte der EU-Abgeordnete Radtke ins Spiel kommen. Der Mann aus dem Ruhrgebiet ist von Hause aus Industriekaufmann und Gewerkschaftssekretär. Als am Dienstag feststand, dass Merz Kanzlerkandidat wird, übermittelte Radtke schöne Grüße: „Friedrich Merz muss kein Arbeiterführer werden, aber mit uns gemeinsam um die Stimmen der Arbeitnehmer kämpfen.“
Mathias Middelberg (59): Er ist Merz‘ Mann fürs Geld. Matthias Middelberg ist stellvertretender Fraktionschef der Union und zuständig für Haushalt und Finanzen – ein Bereich, in dem die Union der Bundesregierung immer wieder Tricks und Taschenspielereien vorwirft. Der promovierte Jurist Middelberg ist dabei nicht um pointierte Formulierungen verlegen. Erst kürzlich warf er Finanzminister Christian Lindner vor, sein Haushaltsentwurf sei „unrealistisch, unehrlich und verantwortungslos“. Ein Stil, mit dem er nicht so weit weg ist von seinem Parteichef, und mit dem er vielleicht in der Finanzpolitik künftig eine größere Rolle spielen könnte.
Johann Wadephul (61): CDU-Chef Merz verfügt über ein beträchtliches Sensorium für Außenpolitik, insbesondere in die USA ist er gut vernetzt. In der Unionsfraktion gibt es zahlreiche tüchtige Außen- und Sicherheitspolitiker. Als Fraktionsvize ist Johann Wadephul aus Schleswig-Holstein für das Thema zuständig. Auf den Oberstleutnant der Reserve kann sich Merz verlassen – anders als auf den Verteidigungsexperten Roderich Kiesewetter, der in Sachen Ukraine-Unterstützung mitunter mehr Druck macht, als dem Partei- und Fraktionsvorsitzenden lieb ist. Wenn künftig Posten in diesem heiklen Politikfeld zu vergeben sein sollten, könnte Wadephul ins Spiel kommen.
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