Philadelphia/New York. Ein plötzliches Wiedersehen, eine obskure Reisebegleitung, Biden mit Trump-Mütze. Der Tag nach dem Duell zwischen Trump und Harris bot viel.

Als die Kameras bereits rausgezoomt hatten, drückte Fotograf Saul Loeb auf den Auslöser. Er fing den Moment ein, als Donald Trump nach dem TV-Duell gegen Kamala Harris mit gesenktem Haupt von seinem Pult tritt und die Bühne verlässt. Wie ein geprügelter Hund trottet der 78-Jährige davon.

Die Demokratin auf der anderen Seite sortiert ihre Notizen – wie eine Staatsanwältin nach ihrem Schlussplädoyer. Ihr erster Weg führt zu ihrem Ehemann Doug Emhoff, der am Rand der Bühne bereits auf sie wartet.

Die Sekunden nach dem Duell: Donald Trump verlässt das Rednerpult, Harris sortiert ihre Notizen.
Die Sekunden nach dem Duell: Donald Trump verlässt das Rednerpult, Harris sortiert ihre Notizen. © AFP | SAUL LOEB

Es sind die ersten Momente nach einer historischen Debatte, die dem Rennen ums Weiße Haus womöglich eine neue Richtung gibt. Experten wissen: Die Minuten und Stunden nach dem Duell sind entscheidend. Der Kampf um die Deutungshoheit beginnt. Es schlägt die Stunde der Spin-Doktoren. Wir zeigen in Schlaglichtern, was in den 24 Stunden nach dem Duell geschah.

Direkt nach dem Duell: Trump taucht überraschend im Spin Room auf – Harris geht feiern

Demokraten und Republikaner hatten für das Duell Teams von Fürsprechern abgestellt, die unmittelbar nach der Debatte im Spin Room vor den Kameras und Mikrofonen der Reporter die richtigen Botschaften aussenden sollten. Für Trump war unter anderem Vize-Kandidat J.D. Vance vor Ort, für Harris sprach Josh Shapiro, Gouverneur von Pennsylvania.

Wer eigentlich nicht im Spin Room auftaucht? Die Kandidaten selbst. Doch Trump versuchte nach dem Duell offenbar zu retten, was kaum zu retten war und stellte sich selbst den Journalisten. Ein Zeichen von Schwäche. Und der Republikaner sinalisierte damit, dass er seinen Verbündeten offenbar nicht zutraute, den Karren für ihn aus dem Dreck zu ziehen. Nach dem Duell mit Joe Biden war Trump nicht im Spin Room aufgetaucht.

Wahlkampf USA - Trump
Trump im Spin Room: Eine Siegerpose sieht anders aus. © DPA Images | Matt Slocum

Trumps Botschaft, zusammengefasst: Er habe gewonnen, das sei seine „ beste Debatte aller Zeiten“ gewesen. Und die Moderatoren seien nicht fair gewesen. Tatsächlich wich er den Fragen der Reporter aber genauso aus – oder konnte sie nicht beantworten – , wie er das zuvor schon während des TV-Duells getan hatte. Eine CNN-Reporterin stellte hartnäckig Fragen zu Trumps Haltung in der Abtreibungsdebatte. Doch Trump machte sich aus dem Staub, er habe dazu schon alles gesagt.

Wahlkampf USA - Trump
Trump verschwindet, nachdem er mit Reportern im Spin Room gesprochen hat. © DPA Images | Pablo Martinez Monsivais

„Hey Philly. Heute war ein guter Tag“, rief unterdessen Kamala Harris fröhlich in die Menge. Die 59-Jährige besuchte mit Ehemann Doug Emhoff nach dem Duell eine Watch-Party der Demokraten in Philadelphia. Sie ließ sich feiern, genoss den Applaus ihrer Anhänger, lachte. Und dann noch die wichtige Botschaft: „Wir haben noch viel Arbeit vor uns.“ Weiter geht‘s. In diesen Minuten kommen auch die Ergebnisse der ersten seriösen Blitz-Umfragen. Klares Ergebnis: Harris hat die Redeschlacht gewonnen.

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Der Kampf im Netz: Wer postet was?

In den 24 Stunden nach dem Duell teilte Trump auf seiner Plattform Truth Social nur eine einzigen Aussschnitt aus der Debatte, sein Abschlussstatement. Sonst postete er keine einzige Szene, um seine vermeintlich historische Leistung zu untermalen. Und noch auffälliger: Er postete auch keine einzige Szene seiner Rivalin, um diese vorzuführen. Stattdessen teilte der 78-Jährige eine Reihe von Pseudo-Umfragen aus der Maga-Blase, nach denen er das Duell klar gewonnen habe.

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Und er teilte jeden Schnipsel, der sich in den ultra-konservativen Medien von Fox News über Breitbart bis Newsmax finden ließ, wo ein Kommentator einen vermeintlich glorreichen Trump-Sieg gesehen hatte. Tatsächlich hatten aber selbst konservative Kommentaroren wie der Fox-News-Analyst Brit Hume ihm eine „schlechte Nacht“ attestiert. Ein Gast auf dem Sender sagte, die Debatte sei wie ein Zugunglück gewesen.

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Tatsächliche Szenen aus dem Duell wurden fast nur von einer Seite geteilt. Von Kamala Harris‘ Kampagnenteam und von ihren Anhängern. Von kurzen Memes bis hin zu minutenlangen Zusammenstellungen ihrer Höhe- und seiner Tiefpunkte. Der wohl am häufigsten geteilte Aussschnitt: Als Harris Trump in die Falle lockte, indem sie ihn mit Aussagen über angeblich gelangweilte Besucher seiner Wahlkampfauftritte provozierte. Trump, völlig in Rage, fing daraufhin an, wilde Verschwörungstheorien über Migranten, die Hunde und Katzen essen würden, wiederzugeben.

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Der Tag danach: Harris und Trump treffen schon wieder aufeinander

Der Tag nach dem Duell, der 11. September, Jahrestag der verheerenden Terroranschläge vor 23 Jahren. Sowohl Trump als auch Harris reisten nach New York, um an einer Gedenkveranstaltung am 9/11-Memorial teilzunehmen. Auch Präsident Joe Biden war dazu angereist.

Mike Bloomberg (mit dem Rücken zur Kamera, rechts neben Joe Biden) geht auf Kamala Harris zu. Er will sie offenbar zum Handschlag mit Donald Trump bewegen.
Mike Bloomberg (mit dem Rücken zur Kamera, rechts neben Joe Biden) geht auf Kamala Harris zu. Er will sie offenbar zum Handschlag mit Donald Trump bewegen. © AFP | ADAM GRAY

Im TV-Studio am Tag zuvor waren sich Harris und Trump zum allerersten Mal direkt begegnet. Die Demokratin hatte ihren Widersacher mit ihrer ausgestreckten Hand zu Beginn der Debatte überrascht. Es kam zum Handshake, den es zwischen Biden und Trump nicht gegeben hatte.

Und nun standen sie wieder nur wenige Meter voneinander entfernt, fast Seite an Seite. Und dann kommt es zu einer kuriosen Szene: Als Harris gerade mit dem New Yorker Senator Chuck Schumer spricht, wird sie von Mike Bloomberg, dem ehemaligen New Yorker Bürgermeister, unterbrochen, der offenbar darauf drängt, dass sie und Trump sich die Hand geben. Es kommt zum erneuten Handshake. US-Präsident Biden steht währenddessen teilnahmslos daneben. Trump lässt später verlauten, es sei alles höflich abgelaufen.

New York City Marks 23rd Anniversary Of September 11, 2001 Attacks
Der Handshake am Tag danach: Kamala Harris und Donald Trump. Mike Bloomberg (r.) hatte auf die Begrüßung gedrängt. © Getty Images via AFP | Michael M. Santiago

Trumps Begleitung: Mit der 9/11-Verschwörungstheoretikerin zum 9/11-Gedenken

Was auf den Bildern nicht zu sehen ist. Im Trump-Flieger nach New York saß auch Laura Loomer, eine ultra-rechte Aktivistin und Anhängerin von Verschwörungstheorien. 9/11 sei ein „Inside Job“ gewesen, hatte Loomer noch im vergangenen Jahr behauptet. Die Regierung oder Geheimdienste würde also in Wirklichkeit hinter den Anschlägen stecken. Die Bilder und Videos, die Loomer am Mittwoch postete, legen nahe, dass sie den Trump-Tross während der Gedenkfeierlichkeiten begleitete.

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Loomer hatte Trump auch schon nach Philadelphia begleitet, wo die Debatte stattfand. Am Abend des Duells sorgte sie selbst in republikanischen Kreisen für Empörung, als sie einen rassistischen Post absetzte. Wenn Kamala Harris, deren Mutter indischer Abstammung ist, die Wahl gewinnen würde, würde es im Weißen Haus bald nur noch nach Curry riechen und die Reden würden nur noch via Call Center übertragen werden. Selbst die erzkonservative Republikanerin Marjorie Taylor Greene bemerkte, dies sei „abstoßend und extrem rassistisch“. Die Trump-Kampagne schwieg gegenüber US-Medien zur Reisebegleitung.

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Fettnäpfchen? Biden setzt sich Trump-Mütze auf

Biden und Harris besuchten nach dem Termin am 9/11-Memorial in Manhattan eine Feuerwehrwache in Shanksville, Pennsylvania. In dem Ort war vor 23 Jahren der United-Airlines-Flug 93 abgestürzt, nachdem Passagiere verhindert hatten, dass die Terroristen auch diese Maschine als Waffe gegen ein Gebäude einsetzen konnten. Die Flugzeugentführer wollten die Maschine eigentlich in ein Regierungsgebäude in Washington D.C. steuern.

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Biden sprach bei dem Besuch mit früheren Feuerwehrleuten. Dabei setzte er sich zum Spaß kurz die Mütze eines Trump-Anhängers auf, nachdem die Gruppe, mit der er sprach ihn dazu aufgefordert hatte. Für die Republikaner ein gefundenes Fressen. Das Bild vom lachenden Präsidenten mit dem auf seinem Haupt thronenden Käppi seines politischen Erzrivalen verbreitete sich rasend schnell. „Danke für die Unterstützung, Joe!“, schrieb das Trump-Team im Onlinedienst X. Das Weiße Haus sah sich genötigt zu reagieren. Biden habe die Mütze lediglich als Geste der „überparteilichen Einigkeit“ aufgesetzt.

Der Swift-Effekt setzt ein: Hunderttausende besuchen Registrierungsstelle

Die Unterstützung von Taylor Swift für Kamala Harris zeigt Wirkung. Am Tag nach dem Instagram-Post der Pop-Ikone vermelden US-Behörden einen Run auf Wählerregistrierungen. Am frühen Nachmittag hätten bereits mehr als 330.000 Menschen die Seite „vote.org“ über den Link besucht, den die Sängerin am Vorabend geteilt hatte. Wie viele davon sich registrieren ließen, war zunächst unklar.

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Die Sängerin hatte vor allem ihre jungen Fans daran erinnert, dass sie sich rechtzeitig darum kümmern müssen, ihre Stimme im November abgeben zu können: „Ich möchte auch sagen, insbesondere den Erstwählern: Denkt daran, dass ihr registriert sein müsst, um wählen zu können! Außerdem finde ich es viel einfacher, früh zu wählen. Ich verlinke in meiner Geschichte, wo man sich registrieren lassen kann und wo es Termine und Informationen zur vorzeitigen Stimmabgabe gibt.“

Und Taylor Swift? Die räumte am Mittwoch bei den MTV Video Music Awards ab.

2024 MTV Video Music Awards - Show
Taylor Swift nimmt ihren Preis für das „Video des Jahres“ entgegen. © Getty Images for MTV | Noam Galai

RFK Jr. fällt Trump in den Rücken

Auch das noch. Ausgerechnet Robert F. Kennedy Jr., der für Trump seine Kandidatur aufgegeen hatte und nun an seiner Seite kämpft, ließ am Mittwoch bei Fox News verlauten, dass auch er Kamala Harris als Siegerin des TV-Duells gesehen hatte. „Sie hat die Debatte eindeutig gewonnen, was ihren Vortrag, ihren Schliff, ihre Organisation und ihre Vorbereitung angeht.“ Trump sei zwar von der Substanz her besser, aber er habe seine Story nicht rüberbringen können. Er habe sich von den wichtigen Themen ablenken lassen.

Die Einschaltquoten trudeln ein: 67 Millionen Amerikaner sahen zu

Die Einschaltquoten trudeln ein. 67 Millionen Zuschauer haben die Debatte zwischen Trump und Harris verfolgt, 16 Millionen mehr als noch beim Duell zwischen Biden und Trump eingeschaltet hatten. Die Demokraten werden sich denken: Je mehr Menschen während dieser 100 Minuten eingeschaltet haben, umso besser.