Berlin. Die Bundesregierung will einer Gruppe von Asylbewerbern alle Leistungen streichen. Kinderschützer warnen vor „katastrophalen“ Folgen.

Kinderrechtsorganisationen zeigen sich entsetzt über die Pläne der Bundesregierung, Flüchtlingen in sogenannten Dublin-Fällen sämtliche Leistungen bis auf das allernötigste zu kürzen. „Es steht zu befürchten, dass davon auch sehr viele Kinder und Jugendliche betroffen sein werden“, sagte Thomas Krüger, Präsident des Kinderhilfswerks, dieser Redaktion. „Das verstößt nach unserer Ansicht gegen die UN-Kinderrechtskonvention, durch die sich Deutschland verpflichtet hat, das Wohl aller Kinder zu achten, unabhängig von ihrer Herkunft oder einer möglicherweise bestehenden Ausreisepflicht.“

Dublin-Fälle sind Fälle von Geflüchteten, für deren Asylverfahren ein anderer europäischer Staat zuständig ist. Hat der zuständige Staat einer Überführung der Person zugestimmt, sollen die Betroffenen künftig bis zur Ausreise in Deutschland keine weiteren Leistungen erhalten. Das hatte die Ampel-Koalition als Teil eines Migrations- und Sicherheitspakets in der vergangenen Woche beschlossen. Ein menschenwürdiger Umgang soll aber gewährleistet bleiben.

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Kinder ohne Geld für Verpflegung, Medizin oder Hygiene auf ihre Ausreise warten zu lassen, „tritt Kinderrechte mit Füßen und widerspricht allen Grundsätzen von Humanität und Menschenwürde“, kritisierte der Präsident des Kinderhilfswerks. Krüger fürchtet, dass mit den Vorschlägen der Bundesregierung Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts ausgehebelt werden soll, nach der auch Geflüchteten ein menschenwürdiges Existenzminimum zusteht. Er mahnt dazu, die Rechte der Kinder bis zu einer tatsächlichen Ausreise in Deutschland zu wahren“, sagte Krüger.

Save the Children sieht „Kindeswohl akut bedroht“

Auch bei der Nichtregierungsorganisation Save the Children lösen die Pläne der Bundesregierung große Sorge aus. „Wir befürchten, dass es da um weitreichende Kürzungen geht, die zur Folge hätten, dass Kinder unter dem Existenzminimum leben müssen“, sagte Janneke Stein, Expertin für Flucht und Migration bei Save the Children, dieser Redaktion. Die Familien würden ohnehin schon in Sammelunterkünften leben, wo Rückzugsräume, Möglichkeiten zum Spielen und der Zugang zu Hilfesystemen und psychosozialer Unterstützung stark eingeschränkt seien. „Wenn dann noch Leistungskürzungen dazukommen und Familien schlicht gar kein Geld mehr haben, ist das Kindeswohl akut bedroht“, sagte Stein. „Selbst wenn es da nur um wenige Wochen bis zur Ausreise gehen sollte – das ist im Leben eines Kindes katastrophal.“

Die Organisation appellierte deshalb an die Bundesregierung, für Familien und Kinder keine Leistungen zu kürzen, und dringt auf mehr „Besonnenheit“ in der Debatte: „Menschen- und Kinderrechte dürfen nicht ignoriert werden, nur weil die Diskussion gerade aufgeladen ist“, erklärte Stein.

Vertreter der Bundesregierung, der Länder und der Unionsparteien hatten sich am Dienstag getroffen, um über einen möglichen gemeinsamen Kurs in der Migrationspolitik zu beraten. SPD, Grüne und FDP hatten das Maßnahmenpaket aus der vergangenen Woche als Grundlage in die Gespräche eingebracht. Die Union dringt vor allem auf eine Möglichkeit, Einreisende direkt an der Grenze zurückzuweisen. Experten warnen allerdings, dass das mit europarechtlichen Bestimmungen im Migrationsrecht kollidiert.