Berlin/Chicago. Sie hat einen vielbeachteten Auftritt hingelegt. Doch nach dem Demokraten-Spektakel hat sie ganz neue Probleme, sagt Julius van de Laar.
Kamala Harris ist nun offiziell Präsidentschaftskandidatin ihrer Partei. Der Parteitag in Chicago bot zahlreiche emotionale Momente, immer wieder flossen Tränen der Rührung. Was von dieser Stimmung übrig bleibt, sagt US-Kampagnenexperte Julius van de Laar im Interview. Aber er hat auch eine Warnung für Kamala Harris.
Herr van de Laar, hat Kamala Harris in ihrer Rede auf dem Parteitag überzeugt?
Julius van de Laar: Ja, vor allem, wenn man es inhaltlich im Kontrast zu Donald Trumps Rede auf dem Nominierungsparteitag der Republikaner vor gut einem Monat betrachtet. Trump hat damals die Leute in der Halle angesprochen und versucht, maximal große Emotionen rauszuholen. Bei Kamala Harris war es eine Rede, die sich strategisch eher an die noch unentschlossenen Wählerinnen und Wähler gerichtet hat. Sie hat versucht, sich präsidial zu zeigen. Emotionale Reden sind vielleicht auch nicht ihre größte Stärke, sondern eher der Trumpf der Obamas oder auch von Tim Walz, bei dessen Rede am Mittwochabend etliche Delegierte Tränen in den Augen hatten. Harris hat dargelegt, warum sie Politik macht – nämlich für Gerechtigkeit. Das hat sie überzeugend mit ihrer persönlichen Geschichte, also ihrer Vergangenheit als Staatsanwältin, verwoben und damit zu ihrem Wahlkampf-Slogan „Kamala Harris for the people“ übergeleitet.
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Wie war die Stimmung im „United Center“ während der Rede?
Van de Laar: Der Saal hat nicht gekocht – viele Delegierte haben Social Media gecheckt oder Nachrichten geschrieben. Dass die Stimmung etwas gedämpft war, lag eventuell auch daran, dass viele bis zuletzt einen Auftritt von Beyoncé erwartet und sich auf ein Gratis-Konzert gefreut hatten. Das war vielleicht der einzige strategische Schnitzer des Planungsstabes – dass die Sängerin nicht kommen würde, hätte man früher bekanntgeben können. Landesweit hingegen mag die Spannung darüber – kommt Beyoncé, kommt sie nicht – vielleicht dazu geführt haben, dass mehr Leute am Fernseher geblieben sind.
Zur Person
Julius van de Laar ist ein international tätiger Politikstratege und Kommunikationsberater. Er lebte 7 Jahre in den USA. Nach dem Studium der Politik- und Kommunikationswissenschaften an der Furman University in den USA arbeitete er in den US-Präsidentschaftswahlkämpfen 2008 und 2012 als hauptamtlicher Wahlkämpfer für Barack Obama.
Was bleibt vom Parteitag hängen?
Van de Laar: Vor allem die Energie. Noch vor vier Wochen haben viele gedacht, wozu soll ich jetzt zu diesem Parteitag fahren? Die Partei war in einer Depression! Mitten in diese Stimmung hinein haben die Macher es geschafft, einen geschlossenen Parteiapparat zu mobilisieren. Hinzu kommt: Als Harris übernommen hat, gab es noch keine Kamala-Harris-Kampagne. Die Energie dafür kam aus dem Internet und von Leuten, die mit Joe Biden durch waren, und die Kampagne hat es geschafft, dies aufzugreifen und die Welle weiterzureiten.
Wie kann es sein, dass Kamala die letzten vier Jahre die ungeliebte Vize-Präsidentin gewesen ist und jetzt auf einmal genau die Richtige zu sein scheint?
Van de Laar: Das liegt womöglich an einer sehr behutsam inszenierten Choreografie. Wir haben bisher auch noch nicht die echte, ungefilterte Kamala Harris gesehen. Sie hat alle Reden bis dato vom Teleprompter abgelesen. Die Kampagne ist sehr vorsichtig, sie auf Termine zu schicken. Sie hat noch kein Interview gegeben, nur mal ein paar kurze Statements. Das ist der Unterschied zu dem, was wir in den vergangenen Jahren von ihr gesehen haben: Sie hat oftmals unbeholfen gewirkt. Wenn man diese neue Strategie zusammennimmt mit all der Hoffnung, die jetzt auf ihr ruht, für das, wofür sie steht, dann ist das vielleicht der Cocktail, der diese positive Energie freisetzt. Es bedeutet aber auch eine gigantische Fallhöhe. Kamala Harris wird in den nächsten Wochen überzeugen müssen.
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Wie haben die Auftritte von Michelle und Barack Obama auf Sie gewirkt?
Van de Laar: Das waren außergewöhnliche Auftritte – angefangen bei der Kunst, die Rede so rüberzubringen wie es den beiden gelungen ist. Sie haben einerseits extrem hart gegen Donald Trump ausgeteilt. Andererseits haben sie sie so in Humor verpackt, dass sie trotzdem noch sympathisch wirkten. Das machen andere viel plumper und bringen es dadurch nicht so effektiv rüber. Ein anderer Aspekt ist: Beide Reden hatten ein klares Wertegerüst und waren darauf ausgelegt zu vermitteln, welche Werte Kamala Harris hat. Es ist Michelle und Barack Obama gelungen, ihre eigenen Biografien mit der von Harris zu verknüpfen. Mit den Geschichten über ihre Mütter und den Verweis auf Harris‘ alleinerziehende Mutter haben sie auf feine und konkrete Weise deutlich gemacht, was das alte Versprechen vom amerikanischen Traum heute immer noch ist und dass jeder es schaffen kann. Wenn man Pathos so einsetzt, führt es zum Ziel, denn dabei entstehen Bilder im Kopf, die nachvollziehbar sind. Das ist viel mehr als ein plumper „Go, USA“-Ruf.
Was ist der rote Faden, der alle Rednerinnen und Sprecher auf diesem Parteitag miteinander verbindet?
Van de Laar: Die Kernbotschaft war: Es gibt nur eine, die für dich und für Gerechtigkeit kämpft, und das ist Kamala Harris. Der andere, nämlich Trump, setzt sich für Steuersenkungen für Millionäre ein und stachelt einen Aufstand an, um im Amt zu bleiben. Jeder einzelne Redner der Demokraten hat diesen Kontrast hervorgehoben. Zudem wurde Harris‘ Biografie genutzt, um zu zeigen: Die Frau dient dem Land schon ihr Leben lang. Es ging aber auch viel um Frauen. Der Parteitag war sehr weiblich geprägt. Eines der wichtigsten Themen waren Abtreibung und weibliche Selbstbestimmung. Die Demokraten wissen, dass darin viel Energie steckt, um die eigene Basis zu mobilisieren. Es ist ganz klar das Zeitalter der Frau.
Man konnte den Eindruck gewinnen, dass die Hemmschwelle der Demokraten gesunken ist, Trump schärfer zu attackieren…
Van de Laar: Trump spielte hier auf dem Parteitag eine große Rolle. Die Demokraten haben nun acht Jahre lang experimentiert, wie man mit Donald Trump am besten umgeht. Zuerst hat man sich über ihn lustig gemacht, danach haben sie als Rassisten und Faschisten bezeichnet. Mittlerweile sind sie zurück beim Humor, weil das die Schärfe aus den Attacken rausnimmt, die Botschaft aber klar rüberkommt. Das hat man zum Beispiel bei Obamas Gag gesehen, der von vielen als Penis-Witz verstanden wurde.
Wie hat Trump es verkraftet, ein paar Tage nicht im Rampenlicht zu stehen?
Van de Laar: Man kann sich nur vorstellen, was in seiner Psyche passiert, wenn sich so viele Promis von ihm abwenden – denken Sie an Oprah Winfrey, die Talk-Elite der USA. Ich denke, das fuchst ihn schon.
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