Die Städte bitten die Bürger für Abwasser und Müll kräftig zur Kasse. Der Bund der Steuerzahler in NRW hat es ausgerechnet.
Der Bund der Steuerzahler NRW wirft vielen Städten vor, unverhältnismäßig hohe Abwassergebühren und mancherorts auch zu hohe Abfallgebühren zu verlangen.
„Der Trend zu immer höheren Abwassergebühren muss von der Politik gestoppt werden“, sagte Rik Steinheuer, Landeschef des Steuerzahlerbundes, am Freitag im Landtag. Der Verband informiert seit 33 Jahren regelmäßig über die Kostenentwicklung bei Abwasser und Müll.
Im NRW-weiten Schnitt sollen die Abwassergebühren in einem Vier-Personen-Musterhaushalt zwischen 2023 und 2024 um 6,8 Prozent auf 800 Euro gestiegen sein. „Einen solchen Anstieg hat es zuletzt in NRW im Jahr 1995 gegeben“, warnte Steinheuer. Es gebe allerdings riesige Unterschiede zwischen den Städten. So koste in Reken ein Kubikmeter Schmutzwasser 1,45 Euro, in Monschau 6,82 Euro. In vielen Städten des Ruhrgebiets liegen die Gebühren für Abwasser ungefähr im Landesschnitt. In Essen müsse ein Musterhaushalt im Jahr allerdings 955 Euro bezahlen, in Dortmund „nur“ 682.
Teures Kanalnetz
NRW-Kommunalministerin Ina Scharrenbach (CDU) hat die Bedeutung des Kanalnetzes einmal so beschrieben: „In Deutschland gibt es rund 600.000 Kilometer örtliche Straßen. Die spiegeln sich praktisch im Untergrund mit einem Kanalnetz von fast 600 .000 Kilometern Länge“. In der Regel gelte: Je größer die Stadt, desto älter das Kanalnetz. Im Schnitt seien es 56 Jahre. Würde man das deutsche Kanalnetz heute wieder errichten müssen, kostete das zwischen 500 und 700 Milliarden Euro, rechnete Scharrenbach vor. Der Erhalt des Systems verschlinge im Jahr zwischen sechs und acht Milliarden Euro. Runtergebrochen auf NRW heißt das: etwa 1,5 Milliarden Euro jährlich
Auch die Abfallgebühren seien im Jahresvergleich leicht gestiegen, so der Bund der Steuerzahler NRW. Die Bandbreite ist auch hier groß: In Münster werde ein Musterhaushalt mit 685 Euro im Jahr zur Kasse gebeten, in Jülich nur mit 170 Euro. Zum Vergleich: In Essen sind demnach 428 Euro fällig, in Duisburg 287 Euro. Im Sauerland seien die Kosten für die Müllentsorgung zuletzt geradezu explodiert: In den Gemeinden im Kreis Olpe betrage das Plus zwischen 30 und 40 Prozent.
Bei den Abfallgebühren fordert der Steuerzahlerbund unter anderem eine Abschaffung der Pflicht, die Tonnen wöchentlich leeren zu lassen. Köln, Düsseldorf, Essen, Mülheim an der Ruhr, Bottrop, Wuppertal und Langenfeld sollten künftig auch eine 14-tägliche Leerung der Restmülltonnen anbieten. Münster solle diese Veränderung bei den Biotonnen ermöglichen. Die Verbraucher sollten die Größe ihrer Abfallgefäße und deren Abfuhrrhythmus selbst auswählen dürfen.
Kommunalverband wirft dem Steuerzahlerbund vor, die Menschen in die Irre zu führen
Der Städte- und Gemeindebund NRW will den Vorwurf der Steuerwächter, die Städte drehten unverhältnismäßig stark an den Gebührenschrauben, nicht auf sich sitzen lassen. „Der alljährliche Gebührenvergleich vom Bund der Steuerzahler führt mehrfach in die Irre. Insbesondere bei den Abfall- und Abwassergebühren kann die Höhe der Gebühr nur bei Städten und Gemeinden verglichen werden, die über eine deckungsgleiche geographische Ausgangslage und das gleiche Leistungsangebot verfügen“, teilte Hauptgeschäftsführer Christof Sommer mit.
Die Städte hielten sich bei den Gebühren „konsequent an geltendes Recht“ und würden sich daran mitnichten bereichern. In den Preissteigerungen spiegelten sich zum Beispiel die Inflation, große Investitionen in den Hochwasserschutz und eine immer aufwendigere Abwasserreinigung, so der kommunale Spitzenverband.
Den Verdacht, dass viele Städte in NRW ihre neuen gesetzlichen Möglichkeiten nutzen, um die Abwassergebühren kräftig zu erhöhen, sieht der Bund der Steuerzahler in NRW mit seinem jüngsten Gebührenvergleich allerdings bestätigt. Auch viele Bürgerinnen und Bürger dürften sich fragen, ob diese Preise noch fair sind oder ob ihre Kommune damit womöglich einen Teil ihrer Haushaltslöcher stopfen möchte.
Das Land NRW hatte das Kommunalabgabengesetz nach einem Urteil des Oberverwaltungsgerichts (OVG) Münster vom Mai 2022, das die alte Regelung als zu unkonkret bewertet hatte, geändert. Das OVG hatte in einem Musterverfahren gegen die Stadt Oer-Erkenschwick damals festgestellt, dass die Abwassergebühren dort überhöht kalkuliert worden waren. Einige Städte senkten nach dem Urteil ihre Sätze, klagten aber darüber, dass sie so nicht kostendeckend arbeiten könnten. Das neue Landesgesetz ermöglicht jetzt wieder höhere Gebühren, und das lässt sich in der Gebühren-Rangliste des Steuerzahlerbundes für das Jahr 2024 auch ablesen.
Auf das Urteil folgen „historisch“ hohe Abwassergebühren
Erstmals muss ein Musterhaushalt (vier Personen, Verbrauch von 200 Kubikmeter Frischwasser, 130 Quadratmeter versiegelte Grundstücksfläche) in NRW für Abwasser im Schnitt jährlich mehr als 800 Euro bezahlen. Im Jahr 2023 waren es 755 Euro, so der Steuerzahlerbund, der die „historisch“ hohen Gebühren anprangert.
„Die Zahl der Kommunen, in denen die Abwassergebührenbelastung über 1.100 Euro im Jahr liegt, hat sich gegenüber 2023 mehr als verdoppelt: von 12 auf 25“, erklärte Rik Steinheuer, NRW-Chef des Steuerzahlerbundes, am Freitag. In acht Städten müsse der Musterhaushalt sogar einen Anstieg der Abwassergebühren von über 30 Prozent verkraften: Erftstadt: 58 Prozent; Legden: 52 Prozent; Bedburg-Hau: 50 Prozent; Heinsberg: 40 Prozent; Merzenich: 39 Prozent ; Oelde: 35 Prozent; Unna: 34 Prozent; Gangelt: 31 Prozent.
Auch bei den Abfallgebühren kennen viele Städte nur eine Richtung: nach oben. Auch hier hat der Steuerzahlerbund einen Musterhaushalt erdacht, um die Entwicklung zu verdeutlichen: Vier-Personen-Haushalt, eine 120-Liter-Restmülltonne und eine 120-Liter-Biotonne.
Ergebnis: Bei einer 14-täglichen beziehungsweise vierwöchentlichen Leerung der Restmülltonne zahle der Haushalt in diesem Jahr im Schnitt rund drei Prozent mehr als im vergangenen Jahr. Bei der wöchentlichen Leerung betrage das Plus rund sieben Prozent. Im Landesdurchschnitt zahle jener Musterhaushalt am meisten, der seine 120-l-Restmülltonne wöchentlich leeren lasse, nämlich rund 425 Euro jährlich. Wer diese Tonne alle zwei Wochen leeren lässt, zahlt im Schnitt 299 Euro im Jahr, die vierwöchentliche Leerung kostet 237 Euro, so die aktuelle Statistik.
Das ist wichtig, weil einige Städte -- Köln, Düsseldorf, Essen, Mülheim/Ruhr, Bottrop, Wuppertal und Langenfeld – nur die wöchentliche Leerung anbieten. Der Steuerzahlerbund sagt dazu: „Die Leute sollte selbst entscheiden können über den Leerungs-Rhythmus und die Tonnengrößen.“
Die Städte sollten zudem das so genannte Mindestrestmüllvolumen nicht zu hoch ansetzen, meint Rik Steinheuer. Damit ist gemeint, dass es in vielen Kommunen strenge Vorschriften für Tonnengrößen gibt, die ein Haushalt pro Person und Woche mindestens „buchen“ muss.
Städte sagen: „Daseinsvorsorge gibt es nicht für umsonst“
Der Städte- und Gemeindebund wehrt sich energisch gegen den Vorwurf, die Städte neigten dazu, ihre Bürgerinnen und Bürger bei den Abwasser- und den Müllgebühren abzuzocken. „Die Kommunen halten sich bei der Berechnung ihrer Gebührensätze konsequent an geltendes Recht. Das sieht vor, dass Kosten für Aufbau, Pflege und Betrieb einer Kanalisation oder der Abfallentsorgung umgelegt und als Gebühr berechnet werden. Es geht dabei nicht um Profite, sondern Daseinsvorsorge für die Bürgerinnen und Bürger“, versicherte Verbands-Geschäftsführer Christof Sommer.
Die öffentliche Daseinsvorsorge sei eben nicht „für umsonst“ zu haben und müsse ständig steigende Kosten durch Inflation oder Klimaanpassung berücksichtigen.
„Runter gerechnet kostet die Abfallentsorgung nur einen Euro am Tag“
Für eine faire Bewertung der Abfall- und Abwassergebühren biete es sich an, die Jahresgebühr durch 365 Tage zu teilen, rät der Kommunalverband. Liege die Jahres-Abfallgebühr für ein Grundstück zum Beispiel bei 365 Euro, so betrage die Abfallgebühr pro Tag einen Euro. „Im Vergleich zu anderen täglichen Ausgaben ist dies ein fairer Preis“, findet Sommer.
Die Abfallentsorgung diene der Hygiene und dem Seuchenschutz, führt Sommer weiter aus. So müssten etwa Biotonnen mit gekochten Speiseresten im Hochsommer in kürzeren Zeitabständen entleert werden als im Winter. Die Kommunen wüssten am besten, wo eine Änderung des Abfuhrrhythmus sich mit dem Bedarf der Menschen vor Ort decke.