Düsseldorf. Die Treffen von NRW-Ministern mit dem mutmaßlichen Kopf einer Schleuser-Bande alarmieren. Jetzt stellen die Grünen klar, ob Geld floss.
Die NRW-Grünen haben keine Parteispenden vom mutmaßlichen Chef einer Luxus-Schleuserbande erhalten. Weder beim nordrhein-westfälischen Landesverband selbst noch in seinen Gliederungen seien Zuwendungen von dem Frechener Rechtsanwalt B. oder einem seiner Unternehmen eingegangen, erklärte ein Parteisprecher auf Anfrage unserer Redaktion.
Jüngst hatte die Landesregierung einräumen müssen, dass auch die Grünen-Minister Mona Neubaur und Oliver Krischer sowie Staatssekretär Victor Haase im vergangenen Jahr dem Mann Termine gewährt hatten. Zu Geldflüssen soll es aber demnach nicht gekommen sein.
Die CDU hatte bereits eingeräumt, dass der Anwalt, der bis Ende 2023 Mitglied der Kölner CDU war, persönlich oder über seine Firmenbeteiligungen zwischen 2020 und 2022 in acht Einzelspenden mehr als 52.000 Euro an Gliederungen der CDU überwiesen hatte. Allein drei Spenden in Höhe von jeweils 9990 Euro – und damit knapp unter der Veröffentlichungsschwelle von 10.000 Euro – gingen 2022 an die CDU im Rheinisch-Bergischen Kreis und waren für den Landtagswahlkampf von Innenminister Herbert Reul (CDU) bestimmt. Reul hatte den Mann in kurzer Zeit acht Mal persönlich getroffen.
Schleuser-Skandal: Parteispenden nicht direkt Gegenstand der Ermittlungen
Die Staatsanwaltschaft Düsseldorf ermittelt seit vier Jahren gegen ein Netzwerk des Frechener Anwalts Claus B., das vermögenden Ausländern insbesondere aus China möglicherweise mit Hilfe von Verwaltungsstellen dauerhafte Aufenthaltsgenehmigungen ergaunert haben soll. Insgesamt sollen neun Millionen Euro an Provisionen und Bestechungsgeldern geflossen sein. Das kriminelle Modell: Mit fingierten Bescheinigungen sollen die Einwanderer aus Asien als angebliche Investoren oder gesuchte Fachkräfte behandelt worden sein und konnten sich fortan frei in der EU bewegen. Die Parteispenden sind bislang nicht direkt Gegenstand der Ermittlungen, sorgen aber in Düsseldorf seit Wochen für Aufsehen.
Was lange nicht bekannt war: Als Lobbyist einer bekannten Berliner Kommunikationsagentur traf der mutmaßliche Schleuserboss im Sommer 2023 auch Umwelt-Staatssekretär Haase und in einer Video-Konferenz die grünen Minister Krischer und Neubaur. Türöffner sollen dabei der ehemalige Grünen-Bundestagsabgeordnete Hubert Kleinert und der Ex-Minister Ernst Schwanhold (SPD) gewesen sein. Auftraggeber war ein Rohstoffunternehmen.
Thema der Unterredungen war die zum 1. Januar 2024 geplante Kies- und Sandabgabe in NRW - eigentlich ein Herzensthema der Grünen. Bis heute wurde die Abgabe nicht eingeführt. Im Winter 2023 kam es noch zu einem Treffen mit Kommunalministerin Ina Scharrenbach (CDU) zum Thema Digitalisierung. Bislang ist unklar, ob Anwalt B. seine Lobbytätigkeit für Unternehmen direkt oder indirekt mit den Schleuser-Aktivitäten verbunden hat.
Die Parteispenden sollten gezielt unter der Veröffentlichungsgrenze gehalten werden
Offenbar wurde jedoch sehr stringent die Nähe zur Landesregierung gesucht. Der „Kölner Stadt-Anzeiger“ zitierte zu Wochenbeginn aus Abhörprotokollen einer monatelangen Telefonüberwachung im Zuge der Ermittlungen. Anwalt B. muss demnach einem Komplizen berichtet haben, gezielt das Gespräch mit Innenminister Reul suchen zu wollen. Er habe vorgeschlagen, den Kontakt durch eine Parteispende herzustellen. Ein altgedienter CDU-Politiker, mit dem sich der Schleuserboss telefonisch beriet, mahnte laut „Kölner Stadt-Anzeiger“, bloß unter der Veröffentlichungsgrenze für Parteispenden von 10.000 Euro zu bleiben. „Alles andere sei verdächtig.“
Vor allem ein bislang nicht bekannter Zugang des mutmaßlichen Schleuser-Chefs in die Regierungszentrale von Ministerpräsident Hendrik Wüst (CDU) macht die Opposition im NRW-Landtag hellhörig. Wie erst jetzt herauskommt, ist Anwalt B. ein Studienfreund von Staatssekretär Bernd Schulte (CDU), dem Amtschef der Staatskanzlei. Im Mai 2023 habe der Beschuldigte dem Staatssekretär „einen kurzen Besuch in dessen Büro abgestattet“, räumt die Landesregierung ein. Gesprächsinhalt: unbekannt. Im November 2023 hielt Schulte dann auf Bitten von B. einen Vortrag in Köln, am 8. April 2024 ging man zusammen in der Domstadt essen.
Neun Tage später durchsuchten mehr als 1000 Beamte von Bundespolizei und der Staatsanwaltschaft bei einer bundesweiten Razzia 101 Wohn- und Geschäftsräume der Schleuserbande. Schultes Studienfreund wurde verhaftet.