Berlin. Der Streit um die Zukunft des Gazastreifens in Israels Regierung eskaliert: Minister Gantz hat am Sonntag seinen Rücktritt angekündigt.
Was Israel von einem „wahren Sieg“ in diesem Krieg trennt, sei Ministerpräsident Benjamin Netanjahu: Mit dieser Begründung erklärte Benny Gantz, Minister im israelischen Kriegskabinett, am Sonntagabend vor versammelter Presse seinen Rückzug aus der Regierung.
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Netanjahu stelle „politische Erwägungen“ über das Wohl des Staates Israel, wirft Gantz dem rechtspopulistischen Langzeit-Premier vor. Deshalb sei es bis heute nicht gelungen, alle Geiseln aus Gaza zurückzuholen, die Grenze zum Libanon zu beruhigen und die drohende Personalknappheit beim Militär zu lösen. All diese Probleme schiebe Netanjahu auf die lange Bank, kritisiert der 65-Jährige.
Israels Regierung: Gantz‘ Rückzug war nur eine Frage der Zeit
Der Rückzug kam nicht überraschend: Gantz hatte Netanjahu schon vor drei Wochen ein Ultimatum gestellt und ihn aufgerufen, endlich einen Strategieplan für die Nachkriegszukunft im Gazastreifen vorzulegen. Das Ultimatum umfasste noch eine Reihe weiterer Forderungen, die Netanjahu unmöglich erfüllen konnte.
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Ein Rückzug Gantz‘ und seiner Nationalen Unions-Partei aus der Notstandsregierung war also nur eine Frage der Zeit. Die Regierung wird daran vorerst nicht zerbrechen: Netanjahus Koalition hat auch ohne Gantz‘ Stütze eine Mehrheit im Parlament. Trotzdem könnte der Rückzug der einzigen moderaten Kraft in der Regierung langfristige Folgen haben.
Er bringt Netanjahu in noch stärkere Abhängigkeit von seinen rechtsextremen Partnern. Zudem könnte Gantz‘ Abgang eine Kettenreaktion weiterer Abspaltungen auslösen. Einen Wunschkandidaten dafür hat Gantz in seiner in allen Fernsehkanälen live übertragenen Rede am Sonntagabend bereits genannt: Verteidigungsminister Joav Gallant. Der gehört zwar Netanjahus Likud-Partei an, die Beziehung zwischen den dem Premierminister und dem politischen Befehlshaber der Armee ist aber bereits seit mehr als einem Jahr schwer belastet. Damals feuerte Netanjahu Gallant, weil dieser die geplante Justizreform öffentlich kritisiert hatte. Netanjahu nahm die Entlassung Gallants dann zwar wieder zurück, wirklich gute Freunde wurden die beiden danach aber nicht mehr. Dazu kommt, dass Netanjahu das Versagen der Grenzabwehr und der Geheimdienste am 7. Oktober gerne allein der Armee zuschiebt – und damit auch Gallant.
Wann in Israel neu gewählt wird, ist noch unklar
Gantz lud Gallant ein, ihm nachzufolgen und gemeinsam in Richtung Neuwahlen zu gehen. „Tu das Richtige“, rief er Gallant auf. Nur ein breites Bündnis ohne Netanjahu könne Israel aus dem Krieg hinaus und in eine positive Zukunft führen, sagte Gantz. An Netanjahu appellierte er, nicht länger abzuwarten und vorzeitige Wahlen auszurufen.
Dass das geschieht, ist nicht ausgeschlossen. Netanjahu droht nämlich früher oder später einen noch wichtigeren Partner in der Koalition zu verlieren: die beiden ultraorthodoxen Parteien. Ein neues Gesetz, das auch Strengreligiöse zum Militärdienst verpflichten wird, muss früher oder später im Regierungskabinett beschlossen werden – dazu hat das Höchstgericht die Koalition verpflichtet. Spätestens dann wird die Regierung zerbrechen. Netanjahu könnte also die Flucht nach vorn antreten und selbst Neuwahlen ausrufen.
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Der gewiefte Politiker wird es aber zu einem Zeitpunkt tun, der ihm gelegen kommt: Experten rechnen damit, dass er die Wahlen in den USA abwarten will. Rechnet man alle gesetzlichen Fristen und die Sommerpause des Parlaments mit ein, dürfte die Regierung also nicht vor Juli zerbrechen.
Wann in Israel neu gewählt wird, ist also noch unklar – der Wahlkampf hat aber spätestens mit dem Abgang von Benny Gantz wohl seinen Anfang genommen.